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Weltmeister Paolo Bettini

»DNA-Pflichtproben? Das ist eine absurde Idee. Wir sind doch keine Serienkiller.«

Leitartikel
Dauer-Skandal Doping

Nur sauber
hat der Sport eine Zukunft


Von Wolfgang Schäffer
Der Berg kreißte und gebar eine Maus. Es ist erst wenige Wochen her, da wurde der Polizei-Einsatz gegen den spanischen Mediziner Eufemiano Fuentes als Aufdeckung des vermeintlich größten Doping-Skandals in der Geschichte des Radsports angesehen. Jetzt könnte es sein, dass viele der Vorwürfe und Anklagen keine Auswirkungen auf die Beschuldigten haben werden.
Doch es ist - aus sportlicher Sicht leider - nicht etwa so, dass sich die mehr als 30 Verdächtigen reingewaschen hätten. Nein, die Indizienkette spricht hier eine mehr als deutliche Sprache. Sichergestellte Blutbeutel, Aufzeichnungen und abgehörte Telefongespräche lassen kaum eine andere Auslegung zu, als dass der einstige deutsche Tourheld Jan Ullrich, der italienische Giro-Sieger Ivan Basso und eine Reihe anderer Radprofis, darunter viele Spanier, umfangreich und systematisch gedopt haben.
Aufgrund der Rechtslage in Spanien aber stellte der dortige Radsport-Verband nun sämtliche Ermittlungen gegen die verdächtigen Sportler von der Iberischen Halbinsel ein. Sie haben eine gültige Lizenz und dürften somit eigentlich sofort wieder fahren. Das gilt auch für Basso, dem der italienische Verband wieder »grünes Licht« gab. Einzig Ullrich muss sich derzeit noch mit Anzeigen und einem drohenden Sportgerichts-Verfahren in der Schweiz auseinandersetzen.
Der internationale Radsport-Verband UCI macht hier eine ganz schlechte Figur. Aus allen Erklärungen spricht die Hilflosigkeit dieser Vereinigung. Mit den vorhandenen Strukturen kann und wird sie das Problem Doping niemals in den Griff bekommen.
Klar und kompromisslos haben dagegen die Manager der Spitzen-Teams Stellung bezogen. Die Ehrenerklärung, nach der vom kommenden Jahr an nur noch die Profis Verträge bekommen, die eine DNA-Probe abgeben, ist wegweisend. Erschreckend zwar, aber das scheint der einzige denkbare Weg zu einem sauberen Sport zu sein.
Wäre diese Regelung schon Anfang dieses Jahres gültig gewesen, hätten sich Ullrich, Basso und Co. sämtliche Diskussionen und Erklärungen sparen können. Ein Vergleich der gefundenen Blutkonserven mit den genetischen Fingerabdrücken der Verdächtigen hätte schnell Aufschluss über Schuld oder Unschuld, Wahrheit oder Lüge gegeben.
Da sich alle Teamleiter für diese Regelung ausgesprochen haben - allen voran auch die beiden deutschen Teams T-Mobile und Gerolsteiner - besteht Hoffnung, dass weder Ullrich noch Basso und all die anderen Verdächtigen bei einem Rennstall unterkommen, solange sie ihre Unschuld nicht bewiesen haben.
Alles andere wäre auch undenkbar und vor allem Eltern nicht zu erklären, deren Kinder Leistungssport betreiben, sich dabei im speziellen für das Radfahren entscheiden wollen. Stars, die mit krummen Touren die Tour fahren, sind weder als Vorbilder noch als Werbeträger zu gebrauchen. Das sieht zum Glück jetzt auch Jan Ullrich auf seinem Konto.

Artikel vom 30.10.2006