28.10.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Lernstart im Bio-Rhythmus

Altenbeken hat eine Ganztagsklasse für Lernanfänger

Von Reinhard Brockmann
Altenbeken (WB). Erst kam Susanne Jachenholz immer zu früh, um Lars (6) von der Schule abzuholen: »Ich muss noch zuende spielen, Mama«, wurde die Mutter dreier Kinder auf die Wartebank verwiesen.

24 I-Dötzchen besuchen die Klasse 1c der Gemeinschaftsgrundschule Egge in Altenbeken - eine von drei echten »Ganztagsklassen« an den 400 Grundschulen in OWL. Wie in Gütersloh (Nordhornschule) und Herford (Radewigschule) sind hier alle Kinder bis 16 Uhr zusammen - und ihnen wird nicht lang dabei.
In der Gruppe, die zusammen lernt, spielt, isst und bastelt wird in einem völlig neuen Rhythmus gearbeitet. Die an den meisten Grundschulen übliche »über Mittag«- oder Ganztags-Betreuung muss dem alten Schema folgen: morgens lernen, nachmittags Ergänzendes, weil eben nicht alle Kinder länger bleiben.
In Altenbeken ist man frei und folgt der biologischen Uhr der Kinder. Nach zwei Stunden Mittagspause wird durchaus noch einmal vertiefend gearbeitet, erläutert Schulleiter Hubert Gockeln. »Die Lernzeit unserer Schüler ist einfach länger«: statt 20 bis 21 hat die Ganztagsklasse 25 bis 26 Stunden Unterricht, dafür aber auch keine Hausarbeiten mehr. »Ganztagsklassen machen in kurzer Zeit enorme Fortschritte im Sozialverhalten«, ergänzt Heinz Kriete, Schuldezernent im Bezirk.
Oft kümmern sich zwei Kräfte um die Jungen und Mädchen. Klassenlehrerin Christiane Ernst steht Sozialpädagogin Sonja Kohlenberg zur Seite. Darüberhinaus nimmt sich Annette Tillmann, sozialpädagogische Fachkraft im Lernstudio, der Förderung einzelner Kinder an. Ein Junge hat in der Sandkiste den Bogen beim Schreiben der Zahl 2 schon raus. »Nicht vergessen, unten den Rückwärtsgang einzulegen,« hilft sie.
»Man merkt, dass das Land mehr Lehrer einstellt«, blickt Gockel auf 15 Jahre zurück, in denen er in Altenbeken unterrichtet. Ergänzend zur 100-prozentigen Stellenbesetzung erlauben Zuschläge eine so gute Lehrerversorgung, dass deutlich mehr Zeit für jeden Schüler bleibt, dass »keiner mehr auf der Strecke bleiben muss.«
Gute Bildung hat ihren Preis: Neben Personal schießt NRW 20 000 Euro zu und die evangelische Kirche nebenan hilft mit 10 000 Euro pro Jahr. Die Eltern zahlen Mittagstisch (50 Euro) und, je nach Vermögen, null bis 100 Euro pro Monat. S. 4: Kommentar

Artikel vom 28.10.2006