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Auch der Pfarrer musste weinen

In Lübbecke nehmen 400 Menschen Abschied von Mordopfer Frauke Liebs

Von Christian Althoff
und Wolfram Brucks (Fotos)
Lübbecke (WB). Nur einen Steinwurf von ihrem Elternhaus entfernt hat Frauke Liebs (21) am Freitag auf dem städtischen Friedhof von Lübbecke ihre letzte Ruhestätte gefunden.

Etwa 400 Verwandte, Freunde, Bekannte und Mitschüler nahmen Abschied von der ermordeten Schwesternschülerin, deren Leiche ein Jäger am 4. Oktober in einem Wald in Lichtenau (Kreis Paderborn) entdeckt hatte.
Die Herbstsonne schickte ihre Strahlen wie einen letzten Gruß durch die gotischen Fenster in den Altarraum der St. Andreas-Kirche. Dort war die smaragdgrüne, goldverzierte Urne mit den sterblichen Überresten der jungen Frau aufgestellt worden - eingebettet in ein großes Herz aus Blumen, umgeben von farbenfrohem Herbstlaub. Daneben ruhte ein Kranz mit schlichter Schleife. »Mama und Papa, Frank und Karen« stand darauf - ein Lebewohl von Fraukes Eltern und Geschwistern.
»Die Tage der Ungewissheit sind vorbei, aber die Tage und Nächte der Fragen noch lange nicht!«, rief Pfarrer Eberhard Helling (45) der Trauergemeinde zu und betete zu Gott: »Wir sind ratlos, wütend und verzweifelt. Bitte, lass' und nicht allein, damit wir wieder Hoffnung schöpfen können!« Der Geistliche erinnerte daran, dass sich Ingrid Liebs (53) und ihr Mann Klaus (55) nach dem spurlosen Verschwinden ihrer Tochter am 20. Juni nicht in ihrer Verzweifelung zurückgezogen, sondern mit allen Mitteln versucht hätten, ihr Kind zu finden. Diese gemeinsamen Anstrengungen und das Zusammenstehen der Familie in den schwierigen Wochen und Monaten würden jetzt helfen, »das Unfassliche auszuhalten.«
Mehrfach versagte dem Pfarrer die Stimme und Tränen traten in seine Augen, als er an Frauke Liebs erinnerte. »Hier, in dieser Kirche, ist sie vor sieben Jahren konfirmiert worden. Frauke war eine junge, anziehende Frau, der ihre Umgebung nicht gleichgültig war.« Frauke habe beherzt zupacken können, sei mitteilsam gewesen und habe Humor gehabt. »Dass ausgerechnet sie in eine Falle geraten ist. . .«, fuhr der Pfarrer fort, bevor seine Stimme erneut wegbrach.
Später lobte der Geistliche das Engagement der jungen Frau, »die für Menschen dasein wollte, die es im Leben nicht so gut gehabt haben wie sie.« Frauke hatte in Bielefeld-Bethel parallel zum Abitur eine Ausbildung als Erzieherin gemacht und war dann nach Paderborn gezogen, um den Beruf der Krankenpflegerin zu erlernen.
Fünf Mitschülerinnen aus der Paderborner Krankenpflegeschule St. Vincenz waren es, die zum Abschluss der Trauerfeier im Altarraum die Fürbitten vortrugen. Sie erbaten unter anderem Kraft für die Polizisten, »die an der Aufklärung dieses Falles arbeiten.« Zwei Beamte waren eigens aus Paderborn gekommen, um ihre Anteilnahme zu zeigen: Hauptkommissarin Anne Henze und Oberkommissar Michael Frische hatten sich in die große Schar der Trauergäste eingereiht. Sie hatten im Juni die erste Fahndung nach Frauke eingeleitet - als noch niemand ahnte, dass aus der Vermisstensache ein Mordfall werden würde.
Nach der Trauerfeier machte sich die Gemeinde auf den Weg zum Friedhof, wo Frauke Liebs' Urne in ein Grab gesenkt wurde. Mit rotgeweinten Augen und einem Strauß gelber Blumen in den Händen nahm Ingrid Liebs als erste Abschied von ihrer Tochter. Sie verharrte am Grab, dann wurde die schluchzende Frau von ihrem Mann und Pfarrer Helling tröstend in den Arm genommen. Ein paar Meter weiter weinte eine Freundin Fraukes in ihr Taschentuch und fragte leise: »Warum nur? Warum?«
Von Fraukes Mörder fehlt weiterhin jede brauchbare Spur.

Artikel vom 28.10.2006