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»Wenn im Dresdner Zoo morgen ein Fall von Vogelgrippe auftritt, geht der Betrieb weiter. Gäbe es einen Fall im Großraum Bielefeld, fände diese Schau nicht statt«, sagt Wilfried Detering. Aus seinen Worten klingt Verärgerung, ein Stück weit Verbitterung. Die Westfalenschau 2006 ist zwar eine von vielen seit 1924. Aber wie immer ein Stück Lebenswerk für Detering. Er sieht es manchmal gefährdet angesichts des immer wieder aufkeimenden Themas: »Die Auflagen zur Vogelgrippe sind reine Panikmache. Nach aktuellem Stand gibt es überhaupt keine Gefährdung.«
Viele der 650 Aktiven in den Vereinen seines Stadtverbandes hat das Thema nicht ruhen lassen seit mehr als einem Jahr. Wo sich Detering einerseits über ausgezeichnete Ergebnisse einiger junger Nachwuchszüchter freut, über seinen Enkel Josua (7), der nicht nur mit Begeisterung bei Arminias F-Jugend kickt, sondern auch erste Zuchterfolge der eigenen Karriere in Opas Fußstapfen aufweisen kann, hat er um so betroffener miterleben müssen, wie langjährige Zuchtkameraden hingeschmissen, ihr faszinierendes Hobby einfach aufgegeben haben.
Auch wenn es die Verantwortlichen in Politik und Verwaltungen vielerorts nicht wahrhaben wollen, sagt Detering, kann man den Rückgang deutlich belegen: Im Zuchtjahr 2006 wurde ein Viertel Tiere weniger beringt. Dass es zur Westfalenschau 2006 dennoch mehr Nennungen gibt, während alle anderen Schauen rückläufig sind, wertet ihr Macher als Glücksfall. Detering: »Wir haben jetzt die einmalige Chance, mit dieser wunderbaren Veranstaltung in Bielefeld für unser einzigartiges Hobby zu werben. Geflügelzüchter schätzen die Situation richtig ein, überziehen aber nicht und sind immer Herr der Lage.«
Morgens um sieben sitzt Detering allein auf der harten Holzbank bei einem Kaffee. Um ihn herum sind in der Austellungshalle die 18 Preisrichter im Einsatz. Mehr als 1300 Vögel werden ihnen präsentiert, Hühner, Tauben, 120 Rassen. Vor Detering auf dem Tisch steht mit stolzgeschwellter Brust der moderne englische Zwergkämpfer »Nelson«. Im April geschlüpft, ist das wunderschöne Tier handzahm. Die enge Beziehung, unterstreicht Detering, dokumentiert die innige Beziehung, die jeder einzelne Züchter zu seinen Individuen aufbaut, steht für Verantwortung, für Fachkenntnis und Augenmaß.
Zwergkämpfer sind eine Leidenschaft von Detering, der sich in der dritten Generation der Geflügelzucht verschrieben hat. »Hühner und Federn haben mich rund um den Globus gebracht«, gesteht der gebürtige Bielefelder, der in Namibia ebenso anerkannt ist wie in Japan, der sieben Fachbücher verfasst hat, sich im Mutterland England des Rassegeflügelzuchtwesens auskennt wie kaum jemand auf dem Kontinent und der bis zur Europaschau demnächst in Sachsen herum kommt im Auftrag des Federviehs. Gemeinsam mit Ehefrau Karin widmet er sich dem Hobby, hat daheim in Hillegossen um 250 Tiere in seinen Volieren und freut sich über jeden Zuchterfolg »wie am ersten Tag«.
Sein erstes eigenes Tier hatte er 1947 vom Vater bekommen - einen Zwerg Plymouth Rock. Er züchtet die Rasse bis heute. Parallel zur Westfalenschau läuft in Bielefeld am Wochenende die Bundesschau dieser Einzelrasse zum 50. Geburtstag ihres Bundesverbandes. Natürlich ist Detering mit eigenen Tieren dabei. Und auch wenn er selbst als Bundesmeister des BDRG eine Institution ist, wird seinen Vögeln natürlich von Richtern ebenso »auf die Federn und in die Augen geschaut« wie allen anderen. Ist doch Ehrensache.
»Ich möchte einfach nur eine ganz normale Schau, ganz normale Maßstäbe«, antwortet Detering auf Fragen nach seinen persönlichen Wünschen zum Wochenende der Westfalenschau. Die Veterinäre in der Region haben viel Augenmaß bewiesen, gesteht er zu. In anderen Regionen ist das Thema Vogelgrippe längst zum Politikum zwischen wirtschaftlichen Interessen und gesellschaftlichem Imageverlust verkommen. Detering. »Der Schaden ist gewaltig. Dabei ist die Vogelgrippe in erster Linie ein Problem der Massentierhaltung auf viel zu engem Raum; und da wieder vorrangig in Südostasien. Unsere Tiere in Deutschland dagegen haben genug Platz, bekommen frische Luft und bestes Futter, können in Ruhe wachsen und gedeihen.«
Besonders schmerzlich: Viele der ganz privaten Anlagen mit drei oder vier Hühnern »für das morgendliche frische Ei« sind trotzdem im großen Durcheinander auf der Strecke geblieben, wurden einer kaum leistbaren Stallpflicht an Stellen geopfert, wo noch nie ein Zugvogel langgekommen ist, ärgert sich Detering.
Der Chef aller 650 heimischen Rassegeflügelzüchter hat deshalb gleich noch einen Wunsch für die Schau. Der Besuch ist nicht nur für Fans, für Familien mit Kindern eine tolle Sache. Gerade Politiker, findet Detering, können mit ihrem Besuch ein Zeichen setzen, »wieviel ihnen an breiten gesellschaftlichen Hobbys wie Rassegeflügelzucht liegt und wie entschlossen sie entsprechende Abgrenzungen gegen überzogene Auflagen auftreten«. Zum Wochenende sind die ausgezeichneten Zuchterfolge der Bielefelder zu bewundern. Detering: »Achtung vor der Kreatur ist unser Anliegen. Das möchten wir deutlich machen.«

Artikel vom 28.10.2006