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Hertha BSC zum
Sieger erklärt

Hoeneß nimmt Kickers in Schutz

Stuttgart (dpa). Das Skandalspiel zwischen den Stuttgarter Kickers und Hertha BSC Berlin hat im deutschen Fußball für Empörung gesorgt und wird den schwäbischen Regionalligisten teuer zu stehen kommen.

Den mutmaßlichen Täter, der Linienrichter Kai Voss aus Großhansdorf mit einem gefüllten Hartplastikbecher am Nacken traf, hat die Polizei nach Ende des abgebrochenen Zweitrunden-Spiels im DFB-Pokal inzwischen festgenommen. Das Sportgericht und der Kontrollausschuss des Deutschen Fußball-Bundes nimmt heute die Ermittlungen auf. Am Abend erklärte das Sportgericht die Berliner zum 2:0-Sieger. Das Urteil ist rechtskräftig, da die Stuttgarter Kickers Rechtsmittelverzicht erklärten. Den Kickers drohen Geldstrafe und Platzsperre.
Sanktionen gegen die Stuttgarter würde der Kontrollausschuss einleiten, indem er beim Sportgericht Anklage erhebt. Die Kickers haben zuvor aber laut DFB-Angaben noch die Möglichkeit, Stellung zu nehmen zum Sonderbericht von Schiedsrichter Michael Weiner.
Voss war in der 80. Minute zu Boden gegangen und einige Momente benommen. Sieben Minuten später erklärte Weiner die Partie beim Stande von 2:0 für die Berliner für beendet. Voss musste nicht ins Krankenhaus und konnte nach Angaben von DFB-Schiedsrichter-Lehrwart Eugen Strigel gestern selbst nach Hause fahren. Weiner wollte sich nicht zu den Vorfällen äußern, weil es sich um ein schwebendes Verfahren handle. »Michael Weiner hat absolut korrekt gehandelt. Wenn das Spiel nicht abgebrochen worden wäre, hätte ich die Welt nicht verstanden«, erklärte Strigel.
Bei dem Festgenommenen handelt es sich nach Polizeiangaben um einen 38 Jahre alten Stuttgarter, dem gefährliche Körperverletzung vergeworfen wird. Hertha-Manager Dieter Hoeneß ging schon vorher zu Recht davon aus, dass die Begegnung zu Gunsten des Bundesligisten gewertet wird und nahm den Gegner in Schutz: »Der Verein Stuttgarter Kickers hat überhaupt keine Schuld. Das ist ein gesellschaftliches Phänomen, dass ein paar Wahnsinnige alles zerstören.«
Kickers-Präsident Hans Kullen und Trainer Robin Dutt sprachen von einer »Katastrophe«. »Das macht alles kaputt, was wir in den letzten drei Jahren hier aufgebaut haben. Das ist ein unglaublicher Rückschlag für den Verein«, sagte Dutt, der sich ebenso wie Kullen beim Schiedsrichtergespann entschuldigte. Der Kickers-Präsident kündigte zudem rechtliche Schritte gegen den Übeltäter an und forderte für ihn ein lebenslanges Stadionverbot.
Dutt hatte noch auf dem Platz in ein Mikrofon gesprochen und versucht, die Anhänger zu beruhigen. Die Partie vor 10 500 Zuschauern im ausverkauften Gazi-Stadion war durch zwei Platzverweise für den Stuttgarter Moritz Steinle (44.) und Ellery Cairo (Hertha/63.) sowie einigen Rangeleien aufgeheizt. Solomon Okoronkwo (58.) und Yildiray Bastürk (74./Handelfmeter) hatten die Berliner in Führung geschossen.
Den Stuttgartern droht neben der Geldstrafe auch eine Platzsperre, da er wegen Zuschauer-Ausschreitungen im Punktspiel gegen den 1. FC Saarbrücken am 16. September vorbelastet ist. Diese Partie wurde damals zwei Mal unterbrochen. Die Kickers zahlten damals 3000 Euro Strafe.

Artikel vom 27.10.2006