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Behinderte Alte
richtig betreuen

Symposium zur Diakonie der Zukunft

Von Matthias Meyer zur Heyde
Bielefeld (WB). Ambulante Betreuung ausbauen, stationäre Angebote zurückfahren - in diese Richtung könnte sich der Umgang der Sozialen Dienste mit altersdementen und geistig behinderten Menschen entwickeln. Tastend sucht das Ev. Johanneswerk nach Konzepten.

Zum Thema »Der Mensch mit geistiger Behinderung im Alter« fand jetzt ein zweitägiges Symposium in der diakonischen Einrichtung an der Schildescher Straße statt. In Westfalen werden derzeit etwa 22 000 Menschen stationär betreut (Prognose 2010: 25 000), darunter ungefähr ein Drittel geistig eingeschränkte Senioren.
»Bisher haben wir immer neue Heime gebaut, aber abgesehen von der Finanzierbarkeit geht das oft an den Bedürfnissen der Betroffenen vorbei«, sagt Dr. Fritz Baur, Sozialdezernent beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL). Ein zweijähriger Modellversuch in Recklinghausen soll Basisinformationen für die Versorgungsstruktur der Zukunft liefern.
Im Konzept des »Balanced Ageing«, das Prof. Elisabeth Wacker, Rehabilitationssoziologin der Uni Dortmund, vorstellte, werden die unterschiedlichen Perspektiven des Sozialen Dienstleisters, des Patienten und des Betreuers berücksichtigt und in konkrete Handlungskonzepte umgesetzt. »Dann wird nicht patriarchalisch von oben oder basisdemokratisch von unten entschieden, sondern im Miteinander«, sagt Elisabeth Wacker, die auch auf die Bedeutung präventiver Maßnahmen hinwies: »Richtige Ernährung und Bewegung helfen so manche Intensivbetreuung vermeiden - oder zumindest hinauszuzögern.«
»Neue Konzepte fordern auch neue Ausbildungsinhalte«, prognostiziert der Heil- und Sozialpädagoge Ronald Hampel, Fachleiter Behindertenarbeit im Johanneswerk, der das Symposium organisierte. »Der Betreuer der Zukunft muss den Patienten durch den Dschungel des Sozialwesens führen können und ein fähiger Moderator sein, der individuelle Bedürfnisse erkennt und kompetente Sozialdienste einschaltet.«
Das Johanneswerk braucht das Rad nicht neu zu erfinden. »Wir können auf bewährten Strukturen aufbauen«, meint der Vorstandsvorsitzende Dr. Udo Krolzik. Die Ausarbeitung eines neuen Konzeptes sei zwar ein mühseliger Prozess, wissen die Beteiligten, Hampel aber vergleicht ihr Tun dennoch mit der Tourismusbranche: »Von der Paketlösung des all inclusive im Heim führt unser Weg zur Individualreise, bei der wir Hilfe nach Maß gewähren.«

Artikel vom 27.10.2006