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Die Kante ist angeblich zu niedrig, denn sie leitet nicht über den Alten Markt. Foto: Carsten Borgmeier

Politik will Altstadtpflaster
nicht »ertastbar« machen

Behindertenbeirat spricht von »faulem Kompromiss«

Bielefeld (bp). Nachtägliche bauliche Veränderungen in der Altstadt-Fußgängerzone im Interesse von behinderten Menschen werden von der Politik ausgeschlossen. Einzige Ausnahme: Die drei Fußgängerüberwege - im Sommer wochenlang Baustellen - sollen erneut verändert werden.

Wolfgang Baum, Vorsitzender des Beirats für Behindertenfragen, spricht von einem »faulen Kompromiss«. Beiratsmitglied Jörg Strothmann ergänzt, dass beim Umbau der Altstadt-Fußgängerzone die Mindeststandards der Barrierefreiheit nicht erfüllt worden seien. Der Beirat, unterstützt von Behindertenverbänden, möchte eine Nachbesserung.
Kritisiert wird, dass Blinde und Sehbehinderte von der Pflasterkante (»Rinne«) nur ungenügend geleitet würden und dass diese Orientierungshilfe auf dem Alten Markt komplett fehle. Die Pflasterkante als Führstreifen ist zu niedrig, um der DIN-Norm zu genügen: Sie ist nur zwei statt drei Zentimeter hoch. Das erschwert das Ertasten des Weges mit dem Stock. Zudem sei die Rinne nicht nur von Werbereitern blockiert, sondern auch fest installierte Ruhebänke und Poller stünden im Weg, meint der Beirat.
Im September tagte die Bezirksvertretung Mitte nichtöffentlich und beschloss, zumindest die drei Übergänge Hagenbruch-, Ritter- und Renteistraße für Menschen mit Sehbehinderungen sicherer zu machen. Hans Martin, stellvertretender Leiter des städtischen Amtes für Verkehr, beschrieb dem Beirat die geplanten Maßnahmen: »Eine taktile Führung in Verlängerung der Bordsteine, dazu sollen Streifen auf dem Überweg für Aufmerksamkeit sorgen.«
Eine Orientierungshilfe über den Alten Markt zu schaffen, habe die Bezirksvertretung Mitte abgelehnt. Das hätte durch das Verlegen so genannter Schlitz- oder Noppenplatten oder durch das Einfräsen eines Musters in die bereits verlegten Platten geschehen können. Hans Martin: »Das ist aber im politischen Raum nicht gewollt.« Gestalterisch sei für die Bezirksvertretung Mitte eine Veränderung des Platzbelages nicht vorstellbar, zumal der Alte Markt ein Veranstaltungsschwerpunkt sei, so dass eine »fühlbare Wegeverbindung« nicht permanent freigehalten werden könne.
Zurzeit werde jedoch im Rathaus eine neue Sondernutzungssatzung erarbeitet, in der ein »geordnetes, einheitliches Aufstellen« von Werbeschildern geregelt werden soll. Martin versprach: »Da wird etwas getan.« Er regte an, der Beirat solle die »Allianz mit der Kaufmannschaft« suchen.
Wolfgang Baum erinnerte Hans Martin daran, dass der Beirat in die Planungen für die Fußgängerzone eingebunden gewesen sei und seine Bedürfnisse mitgeteilt habe, aber: »Die Altstadt wurde nicht nach den Bedürfnissen behinderter Menschen ausgebaut.« Jörg Strothmann machte erneut deutlich, dass laut Behindertengleichstellungsrecht Zuschüsse für die Sanierung von Fußgängerzonen an einen barrierefreien Ausbau geknüpft seien: »Eigentlich müsste eine taktile, kontrastreiche Führung in der Straßenmitte verlegt worden sein.« Andernfalls könne es sein, dass Geld zurückgefordert werde.
Die Fußgängerzone wurde vor knapp einem Jahr Mitte November 2005 eingeweiht. Die Arbeiten kosteten 3,8 Millionen Euro.

Artikel vom 27.10.2006