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Brigadegeneral Alois Bach

»Die Phänomene der Gesellschaft finden Sie auch bei uns in der Bundeswehr.«

Leitartikel
Fotos und Kampagnen

Es läuft
vieles
durcheinander


Von Andreas Schnadwinkel
Die Fotos deutscher Soldaten, die in Afghanistan mit Totenschädeln aus einer Erdgrube posieren, erschrecken zu Recht die Öffentlichkeit. Mitgliedern der Bundeswehr hatte man solche bösen Verirrungen nicht zugetraut. Wo der Normalbürger angeekelt wegsieht, schauen diverse Medien offenbar noch ganz besonders begierig hin. Bei der Erstveröffentlichung hatten »Bild« und RTL die Nase vorn gehabt. Dann stiegen vorneweg vor allem ARD, »Spiegel«, WDR und »Süddeutsche Zeitung« besonders breit in das Geschehen ein.
Bis zu dreieinhalb Jahre alte wahrlich abstoßende Fotos sollen seither nun Anlass genug sein, den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr und die verlässliche Bündnispolitik Deutschlands in Frage zu stellen.
Dadurch durften sich Muslime sogar regelrecht dazu aufgefordert fühlen, mit möglichst scharfen Protesten auf die Bilder zu reagieren. Namentlich jedoch die die Afghanen blieben vergleichsweise gelassen. Dabei hatten doch gerade sie Veranlassung, sich von der Totenschändung persönlich betroffen zu fühlen.
Die Würde des Menschen gilt auch für Tote, jedweder Frevel wie auch der jetzt geschehene ist widerwärtig. Nach dem bisherigen Ermittlungsstand und ersten Geständnissen von Bundeswehrsoldaten handelt es sich aber mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine Häufung von Einzelfällen. Denn der Tatort des verwerflichen Geschehens ist offenbar auf allen Aufnahmen derselbe - und es ist kein Friedhof. Die skandalösen Fotos sind mithin nicht »unser« Guantánamo, nicht unser Abu Ghraib und nicht unsere Mohammed-Karikaturen.
Dennoch wittern Linke und Linksextreme in dem Skandal eine Chance, ihr gestörtes Verhältnis zum Militär öffentlich abzuarbeiten. Und das, obwohl die Bundeswehr als »Parlamentsarmee« auch ein Aushängeschild der funktionierenden Demokratie ist.
Und die Rolle vieler Medien? Was in den vergangenen Wochen und Monaten zum Beispiel im Fall Murat Kurnaz berichtet worden ist, tut weh. Einen Tag nach dem aus Zuschauer- und Zuhörersicht gespenstischen Auftritt bei »Beckmann« am 16. Oktober stellte die Staatsanwaltschaft Bremen das Verfahren gegen Kurnaz ein -Ɗwegen dessen Aussagen in der Sendung. So etwas riecht nach Fernsehjustiz. Und zwei Tage später auf der Bühne des Bielefelder »Ringlokschuppens« nennt der Kabarettist Volker Pispers Kurnaz vor 1000 Zuschauern »den Deutschen aus Guantánamo«. Dabei ist Kurnaz ein in Bremen wohnhafter Türke.
Ähnlich der Fall des von der CIA verschleppten Deutsch-Libanesen Khaled El Masri: In der Wahrnehmung vieler Bürger möchte dieser Mann gar nicht als Deutscher wahrgenommen werden, obwohl er einen deutschen Pass besitzt.
Wenn die Berichterstattung gegen die große schweigende Mehrheit unserer Gesellschaft auf diese Art fortgesetzt wird, dürfen sich weder die Fernsehmacher noch die Parteien wundern, dass sich immer mehr Menschen von der Mitte an die Ränder bewegen - oder Wahlenthaltung üben.

Artikel vom 03.11.2006