30.10.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Konzept wird kopiert

Jürgen Klinsmann vor der Unterschrift in den USA

Hamburg (dpa). Weniger Geld, aber mehr Macht und die volle Unterstützung: Im »Land der unbegrenzten Möglichkeiten« will der designierte US-Nationaltrainer Jürgen Klinsmann jenes Konzept kopieren, das beim Deutschen Fußball-Bund in seiner knapp zweijährigen Amtszeit bis zur WM 2006 oft mit viel Skepsis verfolgt worden war.

Nach Informationen der »Bild am Sonntag« wird der frühere Bundestrainer beim US-Verband einen Vierjahres-Vertrag bis nach der Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika erhalten. Sein Gehalt dürfte mit 2,5 Millionen Euro pro Jahr zwar unter der DFB-Gage liegen, dafür soll Klinsmann als Teamchef aber mit allen Kompetenzen ausgestattet werden - und neben dem A-Team auch für die Olympia-Auswahl und den Nachwuchsbereich verantwortlich sein.
Die in der Bundesliga tätigen US-Legionäre haben das mögliche Engagement des Wahl-Kaliforniers, der nach mehreren Gesprächen als Wunschkandidat von US-Verbandschef Sunil Gulati für die Nachfolge von Bruce Arena gilt, schon einhellig begrüßt. »Es wäre sensationell, mit ihm zusammenzuarbeiten, ich halte unheimlich viel von ihm«, sagte Kasey Keller. Der Torwart von Borussia Mönchengladbach hat bei Tottenham in der englischen Premier League noch mit Klinsmann zusammen gespielt und sich auch schon mit ihm in Kalifornien getroffen.
Auch Steven Cherundulo von Hannover 96 spricht sich für den Deutschen aus. »Klinsmann wird die Mentalität der Amerikaner kennen und mögen. Er wohnt ja schon einige Jahre in den USA. Bei uns geht alles etwas lockerer zu, aber ich glaube, das hat er drauf«, so der Verteidiger. Ein Vertragsabschluss mit dem 41-Jährigen wäre keine Überraschung. »Der Name ist schon lange im Gespräch«, betont Cherundolo.
Auch ein ehemaliger Weggefährte wie Stefan Kuntz, mit Klinsmann 1996 Europameister geworden, äußerte sich zur Sache positiv: »Wenn er sich dafür entscheidet, kann man dem US-Verband nur gratulieren. Dort muss Jürgen nicht ständig Diskussionen über seinen Wohnsitz führen.«
Rudi Völler, Klinsmanns Vorgänger beim DFB und heutiger Sportdirektor bei Bayer Leverkusen, beurteilt die Pläne zurückhaltender: »Die Amerikaner suchen einen neuen Coach, da kommt es Jürgen Klinsmann wahrscheinlich gelegen, da er auch in den USA wohnt. Es wird sich zeigen, ob er mit dem Team Erfolg haben wird. Das hängt auch immer mit der Qualität der Spieler zusammen.«
Klinsmann hatte in Interviews mit der amerikanischen Nachrichtenagentur ap und der »New York Times« Gespräche mit dem US- Verband bestätigt und sein Interesse an dem Traineramt bekundet.
Joachim Löw, sein früherer Assistent und Nachfolger als deutscher Bundestrainer, bestätigte, dass das Thema für Klinsmann relevant sei: »Jürgen hat mir schon vor längerer Zeit sein Interesse am US-Job angedeutet. Ich kann mir gut vorstellen, dass er für die Weltmeisterschaft 2010 noch einmal all seine Energie reinlegt.«

Artikel vom 30.10.2006