04.11.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Der neue Weltmeister Wladimir Kramnik sah sich beim Vereinigungswettkampf gegen Wesselin Topalov einem gewaltigen psychischen Druck ausgesetzt. Topalovs Manager hatte beim Stande von 1:3 einen Skandal entfacht, wie es ihn seit dem legendären Kampf Spasskij-Fischer 1972 nicht mehr gegeben hat: Der Russe sollte auf der Toilette angeblich Computerhilfe gesucht haben. Absurd, doch Kramnik zeigte Wirkung. Inzwischen stand es 4:4, und die 9. Partie war zum Heulen.


Slawisch

Weiß: Topalov
Schwarz: Kramnik

1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 Sf6 4.e3 Lf5 5.Sc3 e6 6.Sh4 Lg6 7.Sg6 hg6 8.a3 Sbd7 9.g3 Le7 10.f4 dc4 Zweischneidig und nicht nach jedermanns Geschmack. Er nimmt es in Kauf, dass die weißen Läufer gute Diagonalen bekommen. Die Alternative ist 10...a5 11.Ld2 dc4 12.Lc4 0-0, und nach 13.e4?! Sb6 wär's schade um den Bd4. 11.Lc4 0-0 12.e4 Kramnik sollte wohl wieder 12...Sb6 ins Auge fassen, z.B. 13.Le2 c5 14.Le3, und nun entweder 14...Dc8 oder 14...Tc8; auch danach ist Weiß im Vorteil. - Der Textzug leitet die irreparable Schwächung des Damenflügels ein. 12...b5 13.Le2 b4?! 14.ab4 Lb4 15.Lf3 Db6?! Scheinaktiv. In Betracht kommt stattdessen 15...c5 16.e5 cd4! 17.Dd4 Sd5 18.Ld5 (geht vielleicht 18.Ke2 ?) 18...Lc5, und Weiß muss sich für den Bauern einer unangenehmen Initiative erwehren, zum Beispiel 19.De4 ed5 20.Dd5 De7 nebst 21...Sb6. 16.0-0 e5 Wie gehabt. Stärker ist vermutlich aber 16...Tfd8 17.Le3 c5 18.e5 Lc3 19.La8 (bzw. 19.bc3 Sd5) 19...Ld4! 20.Ld4 Ta8 mit Kompensation für den Materialrückstand. 17.Le3 Tad8 18.Sa4 Db8 19.Dc2 ef4 20.Lf4 Db7 21.Tad1 Eine Idealstellung: bewegliches Bauernvollzentrum, zwei furchtbare Läufer, Druck gegen die schwachen Punkte c6 und f7. 21...Tfe8 22.Lg5 Le7 23.Kh1 Sh7 24.Le3 Lg5 25.Lg1 Shf8 26.h4 Le7 Kramnik turnt auf den beiden letzten Reihen herum und muss demütig abwarten, wie Topalov ihn fertigmacht. Jetzt gerade nutzt der Bulgare die Tatsache aus, dass kein Springer nach d5 kann. 27.e5 Sb8 28.Sc3 28.Dc4 mit strengem Blick nach f7 sieht ebenfalls gut aus. 28...Lb4 29.Dg2 Auch 29.Se4 macht Spaß: 29...Se6 30.h5 gh5 (bzw. 30...g5 31.h6) 31.Dh2. 29...Dc8 Erzwungen; 29...Se6 scheitert an 30.d5 cd5 31.Sd5 Db5 32.Le2 Da5 33.Lc4, und 34.Ta1 ist kaum zu parieren. 30.Tc1 Lc3 Noch so ein Hilfszug, aber er will Sd5 aus der Stellung nehmen. 31.bc3 Se6 32.Lg4 Das Feld f7 ist unheilbar schwach. 32...Dc7 33.Tcd1 Sd7 34.Da2 Sb6 35.Tf3 Sf8 Ein Bock. Warum nicht wenigstens 35...Sd5? Danach setzt Topalov sein Bauernzentrum in Bewegung, aber Kramnik könnte noch ein paar Züge mehr machen. 36.Tdf1 Te7 37.Le3 Sh7 37...Se6 38.Le6 oder 38.Tf7 verläuft ähnlich der Partie, und 37...Sd5 38.Lg5 beendet die Partie ebenfalls. 38.Tf7 Sd5 39.T7f3. - Kramnik gab auf, und das Match war vollständig gedreht: nach zwei Partien führte er mit 2:0, jetzt liegt er mit 4:5 hinten.








Sam Loyd,Cleveland Voice 1877Matt in vier Zügen






Lösung der Schachaufgabe von P. Hoffmann:

Wie nehmen auf d4? Falsch ist 1.ed4? h6! (1Éh5? 2.h4 gh3 3.Lh3 und matt) 2.h3 h5 3.Sd6 Ka5 4.h4 patt, richtig hingegen 1.cd4!, wieder mit Zugzwang: 1Éh6 (1Éh5 2.h4, s.o.) 2.h3 h5 (2Égh3 3.Lh3 c3 4.Lf1 matt) 3.Sd6 Ka5 4.h4 c3 5.Sb7 matt.


Die »Meisterpartie« schreibt der Internationale Fernschachmeister Christoph Pragua.

Artikel vom 04.11.2006