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Balda will drei Standorte verkaufen

1000 Beschäftigte in Deutschland betroffen - Gewinn im Sinkflug -ÊÜbernahmeangebot

Von Bernhard Hertlein
und Bernd Schellberg
Bad Oeynhausen (WB). Die Balda AG steuert nach einem verlustreichen dritten Quartal einen scharfen Sanierungskurs. Die Zahl der in Deutschland beschäftigten Mitarbeiter soll von 1600 auf 600 reduziert werden. Die Standorte in Herford, dem sächsischen Oberlungwitz und Seelbach im Schwarzwald werden verkauft.
Balda-Vorstandsvorsitzender Joachim Gut.

 Nach Angaben des Vorstandsvorsitzenden Joachim Gut steht Balda bereits in aussichtsreichen Verhandlungen mit möglichen Käufern. In Herford zählt Balda Heinze bislang gut 300, bei Albea in Seelbach 270 und in Oberlungwitz 120 Mitarbeiter. Zudem sollen 250 Arbeitsplätze am Stammsitz in Bad Oeynhausen sozialverträglich abgebaut werden. Weiterhin sind von den Streichungen noch etwa 450 Beschäftigte von Zeitarbeitsfirmen sowie 400 bis 450 Zeitarbeitnehmer in der ungarischen Produktion betroffen.
Als Begründung führte Gut gestern die Entwicklung bei BenQ und anderen Kunden an. Sie habe im dritten Quartal im operativen Geschäft zu einem Betriebsverlust von 10 bis 15 Millionen Euro geführt. Dazu kommen 35 Millionen Euro Buchverlust durch Abwertungen bei den Firmen, die nun zum Verkauf anstehen. 2007 erwartet Finanzchef Volker Brinkmann wegen des bevorstehenden Starts der Touchdisplay-Produktion in Asien einen Umsatz von 600 bis 650 Millionen Euro sowie einen Gewinn von mehr als 50 Millionen. In diesem Jahr steht die Umsatzprognose bei 370 und das operative Ergebnis bei 10 bis 15 Millionen Euro. Ursprünglich waren zu Beginn des Geschäftsjahres 48 Millionen Euro angepeilt worden.
Gut zufolge herrscht bei Handys ungeheurer Preisdruck. Obwohl der globale Markt für Mobiltelefone im Volumen wachse, schrumpfe in Europa die Nachfrage nach Kunststoff-Komponenten. Immer mehr Hersteller verlegten die Produktion nach Asien. Der sich noch verstärkenden Entwicklung könnten sich die Zulieferer nicht entziehen. Trotzdem bleiben Handy-Schalen in Bad Oeynhausen das Hauptprodukt. Die Medizintechnik sieht Gut 2007 bei 25 Prozent.
Nokia, Hauptkunde von Balda, erklärte, auch weiterhin in Europa Mobiltelefone produzieren zu wollen. Hinter Nokia folgt mit wachsendem Anteil Sony Ericsson. BenQ-Handys haben in Deutschland einen Anteil von knapp 10 und weltweit von 25 Prozent. Der Konkurs belastet die Ostwestfalen, weil in Werkzeuge investiert wurde, die nun nicht produzieren werden. Außerdem glaubt Gut, dass auch BenQ in Brasilien bald Insolvenz anmelden werde.
Im dritten Quartal ging der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um 19,8 Prozent auf 82,6 Millionen Euro zurück. Es sei davon auszugehen, dass die Insolvenz von BenQ Deutschland auch negative Auswirkungen auf andere BenQ-Gesellschaften haben werde.
Ungewissheit herrscht in Herford: Das Balda-Heinze-Werk soll noch 2006 an einen strategischen Investor verkauft werden. Betriebsratsvorsitzender Hermann Linnemann hofft, dass die Arbeitsplätze erhalten bleiben. »Wir sehen den Verkauf als eine Überlebenschance.« Die Produktion von Handy-Schalen wäre ohnehin zum Jahresende ausgelaufen. Als neuer Schwerpunkt werde die Fertigung von Teilen für die Autoindustrie ausgeweitet. Schon jetzt liefern die Herforder unter anderem Heckblenden für den »Zafira« sowie weitere Teile für Opel und die britische GM-Tochter Vauxhall. Die 1931 von Richard Heinze gegründete Fabrik zur Fertigung von Metallbeschlägen und -scharnieren für Möbelfirmen war 2001 von Balda übernommen worden.
Der Schleier über dem Übernahmeangebot von Audley Capital soll sich in den nächsten Tagen lüften. Die Fondsgesellschaft erklärte gestern, die Unterlagen für das Angebot an die Aktionäre an den Vorstand geleitet zu haben. Dort lagen sie allerdings auch am Abend noch nicht vor.

Artikel vom 26.10.2006