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Lippe feiern und hinterfragen

Affäre um Landesverband und Kritik an Doppelstruktur im Jubiläumsjahr

Von Reinhard Brockmann
und Victor Fritzen
Detmold (WB). So rechte Feierstimmung will in Lippe noch nicht aufkommen. Die Affäre um den Vorsteher des Landesverbandes Lippe, Joachim Bünemann, verstellt den freien Blick auf den 125. Geburtstag Heinrich Drakes am 20. Dezember. Selbst die von dem lippischen Übervater vor 60 Jahren ausgehandelten lippischen »Punktationen« werden nicht allein als diplomatische Meisterleitung gesehen, sondern auch hinterfragt.
Heinrich Drake 1930, führend im lippischen Landtag.

Nach der Gründung des Landes Nordrhein-Westfalen durch die Briten am 23. August 1946 handelte Heinrich Drake, renommierter Sozialdemokrat aus der Weimarer Zeit, Sonderrechte für das zwischen Hannover und Düsseldorf schwankende ehemalige Fürstentum Lippe aus. Schlauer noch als der rheinische Fuchs Konrad Adenauer sicherte der Lipper Drake den Kreisen Lemgo und Detmold Sonderrechte in NRW.
Vermutlich boten die Niedersachsen damals zu wenig. Am 21. Januar 1947 trat der Freistaat Lippe mit Verordnung Nr. 77 dem Land NRW bei. Um den Preis der »Punktationen« fand die lippische Rose in das NRW-Wappen, das sonst nur Ross und Rhein zeigen würde. Seitdem ist festgeschrieben, dass Wälder, zahlreiche Immobilien und Kultureinrichtungen vom Landesverband Lippe als Sondervermögen ohne direkten Zugriff Düsseldorfs verwaltet und bewirtschaftet werden.
Soweit die Historie. Heute bleibt dagegen kaum etwas vom Ringen um Kostensenkung und Bürokratieabbau verschont: »Wir müssen die Punktationen - von Heinrich Drake in Ehren ausgehandelt - neu diskutieren«: Das fordert in einem Gespräch mit dem WESTFALEN-BLATT Lippes Landrat Friedel Heuwinkel (CDU). Formal sind der Kreis Lippe und der Landesverband getrennte Einheiten. Der Landesverband Lippe ist dem Düsseldorfer Innenminister direkt zugeordnet, der Kreis dagegen zunächst dem Regierungspräsidium in Detmold, dem besagter Heinrich Drake von 1947 an in Personalunion noch selbst vorstand.
Landrat Heuwinkel will Doppelaufgaben sammenzulegen und zwei schlanke Verwaltungen schaffen. Im Bereich Denkmalschutz und Hochbau, Umweltschutz und Kultur würden jeweils nahezu gleiche Aufgaben wahrgenommen. Vom Landestheater bis zu zahlreichen Einrichtungen reichen die Gemeinsamkeiten. Heuwinkel hätte in Verhandlungen dem Landesverband auch etwas zu bieten: Im Bereich Forst sei eine Übergabe von Zuständigkeiten an den Landesverband vorstellbar. »Warum sollen wir die Wälder des Kreises Lippe nicht in den Landesverband Lippe geben?«, überlegt Heuwinkel. Wer behaupte, »der Landrat will sich den Landesverband unter den Nagel reißen«, rede dummes Zeug, zeigt Heuwinkel keine Angst vor heißen Eisen.
Unabhängig vom politischen Ringen werden Verband und Kreis Lippe Seite an Seite mit Ausstellungen, Vorträgen und einer Geburtstagsparty den Geburtstag Drakes feiern. Zur zentralen Festveranstaltung im Landestheater Detmold am 9. Dezember wird NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers erwartet.
Eine Ausstellung von Schülern der Detmolder Heinrich Drake-Realschule in der Bezirksregierung, die am 7. Dezember eröffnet wird, befasst sich mit dessen Wirken. Auch zahlreiche Heinrich-Drake-Hauptschüler aus Lemgo haben den langjährigen lippischen Politiker thematisiert. Sie zeigen noch bis zum 3. November sowie vom 18. Januar bis 15. Februar 2007 im Schmiedeamtshaus Lemgo eine Ausstellung zur Kindheit, Ausbildung und politischem Werdegang Drakes bis 1945.
In vier Vortragsveranstaltungen beleuchtet unter anderem die Vize-Vorsitzende des Lippischen Heimatbundes, Professorin Heide Barmeyer-Hartlieb, die frühen Jahre Drakes während Kaiserzeit und Weimarer Republik. Sein Wirken in der NS-Zeit und in der unmittelbaren Nachkriegszeit betrachtet Andreas Ruppert. Ex-Regierungspräsident Walter Stich geht anschließend auf die politischen Ämter seines berühmten Vorgängers im Nachkriegsdeutschland ein. Den Abschluss bildet Lippes Kreisarchivar Hansjörg Riechert mit einem Vortrag, der sich mit populären Urteile und Vorurteilen bezüglich Drakes befasst.Kommentar
www.landesverband-lippe.de

Artikel vom 01.11.2006