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Wer mutig über die Stühle klettert, ist fit für die Schule

Sozialmediziner Prof. Dr. Rudolf Meinert im Erzählcafé

Brackwede (ptr). Sein Buch »Der Schritt ins Schulleben« gehört zu den Pionierleistungen der Sozialmedizin. In ihm hat Prof. Dr. Rudolf Meinert (85) bereits 1958 zahlreiche Übungen beschrieben, mit denen sich die Schulfähigkeit eines Kindes besser einschätzen lässt. Heute gehören diese Tests zum Standard bei der Einschulung. Ihre Bedeutung schilderte Meinert im Erzählcafé.

Auf einem Bein hüpfen, einen Faden aufwickeln oder mit dem rechten Arm über den Kopf hinweg das linke Ohr berühren - schwer sind die Übungen nicht, die Kinder vor der Einschulung absolvieren. Trotzdem kann man aus ihnen eine Menge ablesen: Wer mit sechs Jahren von Stuhl zu Stuhl klettert, obwohl diese ein paar Meter auseinander stehen, zeigt Selbstvertrauen, das nötig ist, um sich im Schulalltag durchsetzen zu können. Wer im gleichen Alter einen Faden fehlerfrei aufwickeln kann, beweist feinmotorische Fähigkeiten, die beim Schreiben lernen gebraucht werden.
»Der Arzt allein kann und darf über die Schulfähigkeit eines Kindes aber nie entscheiden«, betont Meinert. Die Medizin könne nur Hilfestellungen bei der Beurteilung geben, keinesfalls jedoch die generellen geistigen Fähigkeiten abklopfen. Deshalb sei es wichtig, Meinungen möglichst vieler Fachrichtungen einzuholen, allen voran natürlich von Seiten der Pädagogen. »Je detaillierter das Bild über ein Kind wird, desto besser kann man letztlich einschätzen, ob es sich im Schulalltag gut zurechtfinden wird oder nicht.«
Bemerkenswert sei, dass man beim Vergleich der motorischen Fähigkeiten von Kindern aus verschiedenen Stadtbezirken oft auf Unterschiede treffen würde. »Häufig ist dafür das sportliche Engagement von Vereinen und Schulen vor Ort verantwortlich«, sagt Meinert. Jedes Kind brauche ein attraktives Angebot. Sportliche Förderung könne es nie genug geben. Deshalb sei es äußerst bedauernswert, dass immer mehr Schwimmbäder aus Kostengründen geschlossen würden.
Mit einem Vorurteil räumte der Sozialmediziner dagegen auf: »Es stimmt nicht, dass im Vergleich zu früher heute deutlich mehr Kinder zu dick sind.« Außerdem sei nicht jedes dicke Kind von Natur aus bewegungsfaul - ganz im Gegenteil: »Viele sind äußerst bewegungsfreudig, brauchen aber die richtige Anleitung - und das nicht nur in Fragen des Sports.« Gesunde Ernährung und Maßhalten beim Essen seien mindestens genauso wichtig. Hier nahm Meinert vor allem die Eltern in der Pflicht. Schließlich schaue sich jedes Kind seine Verhaltensweisen meist im unmittelbaren sozialen Umfeld ab.

Artikel vom 25.10.2006