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Gerrit Berckheyde ließ den
halben Dom einfach weg

Große Ausstellung des holländischen Maler-Adels

Von Christoph Driessen
Köln (dpa). Als der Mann mit der berühmtesten Knollennase der Kunstgeschichte 1669 in bescheidenen Verhältnissen starb, machte seine Heimatstadt Amsterdam nicht mehr viel Aufhebens um ihn: Rembrandt.

Der Maler war zuletzt aus der Mode gekommen. Kunsthistoriker lassen mit seinem Tod meist auch Hollands Goldenes Zeitalter enden - auf das Malergenie folgte demnach der Niedergang. Doch die große Ausstellung in Köln plädiert nun für eine radikal neue Sicht. Demnach waren holländische Maler noch bis weit ins 18. Jahrhundert führend und machten in dieser Zeit international Karriere.
110 Gemälde von 40 Künstlern aus der Zeit von 1670 bis 1750 sind bis zum 21. Januar im Wallraf- Richartz-Museum zusammengetragen. Wichtige Leihgeber sind das Rijksmuseum in Amsterdam, das Mauritshuis in Den Haag und die Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden. »Die Ausstellung bewertet die Malerei nach Rembrandt im positiven Sinne neu«, sagt der Kurator Ekkehard Mai.
Kaum zu glauben, dass zwischen diesen Bildern und Rembrandt nur wenige Jahre liegen. Alles wirkt so unholländisch! Wo sind die Bürger mit schwarzem Wams und weißem Kragen geblieben, die wolkenverhangenen Deichlandschaften mit Windmühlen und Bauernkaten, die derben Busengrabscher eines Jan Steen oder Adriaen Ostade? Die Holländer um 1700 posieren mit schulterlangen Perücken und pseudo-römischen Gewändern vor Säulenkulissen und arkadischen Landschaften. Auf den Stillleben gibt es jetzt statt altem Goudakäse, Apfelschalen und leicht angefaulten Pflaumen mit Fliegen nur noch Geflügel und erlesene Blumen. In einer Darstellung Kölns hat der Haarlemer Meister Gerrit Berckheyde den halbfertigen Dom einfach weggelassen - er fand ihn zu hässlich.
Auch Rembrandts Helldunkel-Malerei mit breitem Pinselstrich und teils fingerdick aufgetragener Farbe ist passé - kleinformatige Feinmalerei liegt im Trend. Alles ist dekorativ, veredelt, überhöht - angepasst an den Geschmack großer Fürstenhöfe. Daher auch der Titel der Ausstellung »Vom Adel der Malerei«. »Weg von dem, was realistisch war, weg von der rauen Malerei Rembrandts«, erläutert Mai den Zeitgeist.

Artikel vom 25.10.2006