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Auch Putin klopfte an die Tür

Ein Jahr Frauenkirche in Dresden: Gotteshaus und Touristenmagnet

Von Simona Block
Dresden (dpa). Überfüllte Gottesdienste, ausverkaufte Konzerte und lange Schlangen vor dem Bauwerk: Die Frauenkirche ist ein Jahr nach ihrer Weihe ein vielbesuchter Ort.

Wie der Kölner Dom, das Brandenburger Tor oder der Kaiserdom zu Speyer gehört sie zu den Lieblingsstätten der Deutschen. »Unsere Erwartungen wurden bei weitem übertroffen«, sagt der Sprecher der Geschäftsführung und Baudirektor Eberhard Burger wenige Tage vor dem ersten Kirchweihfest am kommenden Sonntag. Dann haben mehr als zwei Millionen Menschen den Hauptraum der aus Trümmern wiedererstandenen spätbarocken Kirche besucht.
»Das ist das Mehrfache dessen, was wir angenommen hatten«, sagt Burger. Statt der geschätzten 2000 Menschen würden täglich bis zu 10 000 die Kirche besuchen. Im ersten Jahr kamen 1,2 Millionen Gäste während der normalen Öffnungszeiten, etwa 600 000 zu Gottesdiensten und Andachten sowie 290 000 zu Konzerten. Bisher fanden unter der mächtigen Sandsteinkuppel mehr als 650 Gottesdienste statt, 50 Kinder und 20 Erwachsene wurden getauft und 26 Paare getraut. Künftige Tauf- und Trautermine sind weit im Voraus vergeben.
In den vergangenen zwölf Monaten konzertierten unter anderem die New Yorker Philharmoniker, die Sächsische Staatskapelle und die Dresdner Philharmonie in der Frauenkirche. Komponisten wie Siegfried Matthus und der Brite Colin Matthews schufen Werke für sie. Die Reihe prominenter Persönlichkeiten, die kurzfristig einen Blick in das Gotteshaus werfen wollen, reißt nicht ab. Vor zwei Wochen erst klopfte Russlands Präsident Wladimir Putin unverhofft an die Tür.
»Wenn man die Reaktionen sieht und erlebt, wie die Besucher den Raum in sich aufnehmen und überwältigt sind, kann man sich nur freuen«, meint Burger. Damit werde das Projekt des Wiederaufbaus gegen alle anfänglichen Widerstände bestätigt. Die Stiftung hat auch auf Kritik an der zeitweisen Schließung des Bauwerks bei Konzertproben oder Veranstaltungen reagiert: »Wir werden die Kirche noch mehr als bisher öffnen.«
Laut Burger geht der Ansturm nicht spurlos an der Inneneinrichtung vorüber. Statt wie geplant jährlich müssen alle vier Monate die Bänke neu gewachst und die Fußböden gereinigt werden. Im heißen Sommer litt das Raumklima: Die warme Luft kühlte auch nachts kaum ab. 2007 ist der Einbau einer Klimaanlage geplant.
Das für Anregungen, Bitten und Wünsche ausgelegte Gästebuch am alten Turmkreuz musste schon häufig erneuert werden. »Es ist schon das 35., die anderen sind voll geschrieben.« Groß ist auch das Interesse von Unternehmen und Institutionen, die bei Tagungen und Kongressen Gottesdienste und Sonderkonzerte besuchen möchten. Burger verweist darauf, dass die Kirche kein Konzerthaus ist und nicht vermietet wird.
Das erste Kirchweihfest soll auf den Neumarkt übertragen werden. Geplant sind auch Adventskonzerte des ZDF verbunden mit Spendenaufrufen. »Mit dem, was für das Leben in der Frauenkirche gespendet wird, können wir unsere Angebote finanzieren.« Wichtiger Bestandteil sei die Friedens- und Versöhnungsarbeit. »Wir bauen Brücken zwischen Christen und denen, die keine Beziehung zur Kirche haben.«

Artikel vom 25.10.2006