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Hallo, hallo,
Fräulein?
Vermittlung!

Schau: »150 Jahre Fernmeldewesen«

Von Matthias Meyer zur Heyde und Hans-Werner Büscher (Fotos)
Bielefeld (WB). In der Mitte ein Kasten, vorne geht was rein, hinten kommt was raus. So funktioniert Telekommunikation auf digitalem Wege, und mehr muss man gar nicht wissen. Hochspannend wird's, sobald der Blick in die Vergangenheit zurückgeht, in jene Ära, da das Telefon noch Fernsprecher hieß.

Wilhelm Blase (67), 1954 Stift in der Fernmeldetechnik, dann Facharbeiter, später studierter Elektrotechniker, mittlerweile im Ruhestand, baut derzeit mit einer Handvoll älterer Kollegen eine Ausstellung auf, in der - »Hallo, Fräulein? Vermittlung!« - die gediegene Atmosphäre aus Reichsposttagen mit Händen zu greifen ist. »150 Jahre elektrisches Fernmeldewesen in Bielefeld. Vom Morseapparat zum Internet« heißt die Schau, die am 2. November, 12 Uhr, eröffnet wird.
Im Erdgeschoss des Telekom-Hochhauses am Phillipp-Reis-Platz sind dienstags bis samstags von 10 bis 18 Uhr Ungetüme zu sehen, die »Lo 15« heißen oder »OB 05«, auch nostalgische Apparate mit Kurbel statt Wählscheibe, der erste Fernschreiber mit Klaviertastatur (!) von Mister Hughes und ein Spaßtelefon in Gestalt von Micky Maus.
Und eine Siliciumfaser, 100 Mikrometer (Millionstelmeter) dick und so klar, dass Sie, wäre Fensterglas ebenso klar, noch durch 100 Kilometer dickes Glas hindurchblicken könnten.
Wenn Sie nun sagen, och nö, is' mir zu technisch - bis zum Ende der Ausstellung am 23. Dezember sind stets zwei Spezialisten ansprechbar, die alles allgemeinverständlich erklären können, weil sie alles wissen. Warum? »Weil wir schon in der Lehre die Funktionsweise der Geräte kennen mussten und viele Teile selbst hergestellt haben«, antwortet Peter Clajus (68). Clajus und 25 Gleichgesinnte bilden den gemeinnützigen Bielefelder Verein »Freunde historischer Fernmeldetechnik«, der Interessenten immer offensteht (Tel.: 05 21 / 33 26 66) und die staunenswerten Exponate in jahrelanger Suche zusammengetragen hat.
Wer telekommuniziert, hat Geschichten zu erzählen. Von Reis und Bell und Stephan, zum Beispiel: Johann Phillipp Reis hat das Telefon erfunden, Alexander Graham Bell hat es serientauglich gemacht, und Heinrich von Stephan, des Reiches Postminister, besorgte sich, so um 1880 muss das gewesen sein, über diplomatische Kanäle in London eines dieser neumodischen Dinger, ging damit zu Siemens und sagte, das lässt sich noch verbessern. Hat Bell denn kein Patent, begehrte man bei Siemens zu wissen. Doch, hat er, entgegnete Stephan, aber nicht für Deutschland.
Seither (seit 1881) können deutsche Frauen stundenlang über deutsche Treue, deutschen Wein und deutschen Sang telefonieren. Scherz beiseite: Die mit historischen Fotos und Texten angereicherte Ausstellung entfaltet einen Charme wie sonst kaum eine Technikschau. Der Eintritt ist kostenlos, aber um im Bild zu bleiben: Sie dürfen, bevor Sie den Hörer abheben und an der Wählscheibe drehen, eine Münze in den Schlitz werfen . . .
www.telefongeschichte-owl.de

Artikel vom 25.10.2006