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Neue Erbschaftsteuer
»belastet Handwerk«

Experten: Chefs dürfen kein Personal entlassen

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). Wer einen Betrieb erbt, muss künftig mehr Steuern zahlen. Dafür würden ein Beschluss des Bundeskabinetts und ein für Dezember angekündigtes Urteil des Bundesverfassungsgerichts sorgen, warnt die Deutsche Anwalts-, Notar- und Steuerberatervereinigung für Erb- und Familienrecht in Nürnberg.

»Der Mittelstand mit seinen Handwerksbetrieben wird deutlich mehr belastet«, sagte der Vizepräsident Jörg Passau dieser Zeitung. So werden laut Gesetzentwurf Einzelfirmen und Personengesellschaften beim Wertansatz künftig so behandelt wie Kapitalgesellschaften. Durch die Mischung aus Substanz- und Ertragswert können sich nach Angaben von Jörg Passau bereits von Januar 2007 an doppelt so hohe Summen für einen Handwerksbetrieb ergeben, wenn der Fiskus die Grundlage für die Besteuerung ermittelt.
Beispiel: Bei einem Betriebsvermögen von 1 Million Euro kassiert der Staat derzeit 44 812 Euro Erbschaftsteuer. Zukünftig würden auf dem Papier 151 050 Euro fällig. »Was dann tatsächlich an Steuern zu entrichten ist, soll von der Zusammensetzung des Vermögens abhängen«, erklärte der Steuerberater. Das Erbe werde aufgeschlüsselt in »produktives« und »nicht produktives Vermögen«. Damit sind zum einen Maschinen und Anlagevermögen und zum anderen beispielsweise brach liegende Firmengebäude gemeint. Passau rechnet das obige Beispiel durch: »Sind in der einen Million Euro 300 000 Euro nicht produktives Vermögen enthalten, ergibt sich zwischen Produktiv- und Nichtproduktivvermögen eine Aufteilung von 70 Prozent zu 30 Prozent. Damit wird für den Erben eine Steuerschuld von 30 Prozent auf 151 000 Euro, also 45 300 Euro, und damit schon mehr als bisher, sofort fällig.«
Die restliche Steuerschuld von 105 000 Euro soll, so möchte es die Koalition, für zehn Jahre gestundet und danach erlassen werden, wenn der Betrieb unverändert mindestens für zehn Jahre weitergeführt wird. Überlebt die Firma nicht so lange, verringert sich die Steuerschuld pro Jahr des Bestehens um jeweils ein Zehntel. Hinzu komme eine »Arbeitnehmerkomponente«, erläuterte Passau weiter. Die Steuer werde nur gestundet, wenn der Firmenerbe die Zahl der Mitarbeiter konstant halte. Aber welcher Handwerksmeister wisse schon, wie viele Angestellten er in zehn Jahren benötige, fragt Passau.
Seine Kollegen und er sehen durch die Neuregelung »erhebliche Risiken« auf mittelständische Unternehmen zukommen. Der Erbe lebe mit der Gefahr der Nacherhebung, wenn er seinen Betrieb innerhalb der Zehnjahresfrist schließen muss. Deshalb rät die Deutsche Anwalts-, Notar- und Steuerberatervereinigung für Erb- und Familienrecht etwa den Handwerksmeistern, noch vor Ende des Jahres zu den jetzigen Bedingungen die Nachfolge zu regeln. Das Bundeskabinett hatte die Reform der Erbschaftsteuer am 25. Oktober beschlossen. Die Steuerpflicht gilt für Betriebsvermögen über 100 000 Euro. Im Jahr 2003 kassierte der Fiskus 3,4 Milliarden Euro aus der Erbschaftsteuer.
Vielen Mittelständlern seien die auf sie zukommenden Risiken viel zu wenig bekannt, bedauert Passau. Er führt dies auf Verdrängung zurück: »Damit wollen sich viele gar nicht beschäftigen, denn dann müssen sie an ihr eigenes Ende denken.« Die Unternehmer könnten das im November mit dem Totensonntag und dem Volkstrauertag nachholen. . .

Artikel vom 07.11.2006