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Kinohit im Musical-Boom

Vorhang auf für »Dirty Dancing«

Von Christoph Sator
London (dpa). Welterfolge, Flops, Skandale: Die Musical-Metropole London ist an Spektakel gewöhnt. Aber das gab es selbst hier noch nie - eine Show mit mehr als 250000 Vorbestellungen, noch bevor der erste Vorhang gefallen war.

Die Bühnenversion des 80er-Jahre-Kinohits »Dirty Dancing« schlägt an der Themse derzeit alle Rekorde. Am Dienstagabend war im Aldwych Theatre im Amüsierviertel West End vor tausend geladenen Gästen nun endlich die Premiere.
Die Kritik am Morgen danach fiel recht positiv aus, auch wenn die meisten Londoner Blätter erwartungsgemäß mäkelten, dass das Film-Original mit Patrick Swayze und Jennifer Grey doch besser gewesen sei. Swayze dürfte das mit Freude gelesen haben: Der 52-Jährige feiert im West End gerade mit einem anderen Stück (»Guys and Dolls«) Erfolge. Noch ein Beweis für einen Musical-Boom wie lange nicht mehr.
Allein in den vergangenen Wochen hatte ein halbes Dutzend neue Shows wie die neue »Cabaret«-Version aus diesem Jahr, der jüngste Broadway-Hit »Wicked« oder das Boney-M.-Musical »Daddy Cool« Premiere. Zuletzt war die Konkurrenz Ende der 80er Jahre so groß. Dazu gibt es Dauerbrenner wie Abbas »Mamma Mia!«, die Kriminalgeschichte »Chicago« oder die diversen Klassiker von Andrew Lloyd Webber. Anfang des Monats gingen »Les Misérables« von Claude-Michel Schönberg sehr frei nach dem Roman von Victor Hugo im Queen's Theatre bereits in ihr 22. Jahr. Länger wurde ein Musical auf der ganzen Welt noch nie gespielt.
Aber auch bei »Les Misérables« muss man sich wegen des großen Angebots Abend für Abend um neue Zuschauer bemühen. Alles in allem gehen im West End derzeit etwa 30 Musicals über die Bühne. Mehr als 20 000 Plätze sind jeden Abend zu besetzen. Vergangenes Jahr zählte man - inklusive Theater - etwa zwölf Millionen Besucher. Klar, dass es bei so viel Wettbewerb Verlierer geben muss. Die Shows zur Musik von den Bee Gees oder Billy Joel zum Beispiel waren keine Erfolge.
Und in diesem Herbst wird es neue Opfer geben. »Wir können nicht alle überleben. Das ist eine Tatsache«, sagt Regisseur Rufus Norman, der es bei der neuen »Cabaret«-Version mit vielen Nacktszenen versucht. Boney-M.-Erfinder Frank Farian, der auch die immerhin fünf Millionen Euro teure Produktion der Musical-Version von »Daddy Cool« auf die Beine gestellt hat, weiß ebenfalls: »Die Konkurrenz ist beängstigend.«
An den Sonderverkaufskassen in der Londoner Innenstadt, wo die Tickets der nicht ganz so stark gefragten Shows zum halben Preis verhökert werden, gibt es auch schon Karten für »Daddy Cool«. Und das, obwohl nach der Welt-Premiere im vergangenen Monat die Kritiken alles in allem eher gut waren.

Artikel vom 26.10.2006