24.10.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Schröders Schwarze-Peter-Spiel

Gewerkschaften und SPD-Linke weisen Schröders Vorwürfe scharf zurück

Berlin (dpa). SPD-Linke und Gewerkschaften haben den Vorwurf von Ex-Kanzler Gerhard Schröder scharf zurückgewiesen, sie hätten wegen der Sozialreformen systematisch auf seinen Sturz hingearbeitet.
Führende Unionspolitiker zeigten sich empört über Schröders laute Zweifel an der Durchsetzungsfähigkeit seiner CDU-Nachfolgerin Angela Merkel.
»Dummes Zeug« nannte die frühere DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer die Schuldzuweisungen an die Adresse von Gewerkschaftsführern. Richtig sei, dass die Gewerkschaften enttäuscht darüber gewesen seien, dass unter Schröder Arbeitnehmer immer stärker belastet worden seien, Unternehmen aber ständig Steuergeschenke erhalten hätten, sagte die einstige scharfe Kritikerin von Schröders Reformkurs gestern in Berlin. Sie warf dem Alt-Kanzler vor, er gefährde das Vertrauen der Bürger in die Politik, wenn er nach Art des »Schwarze-Peter-Spiels« versuche, die Verantwortung für seine Politik bei anderen abzuladen.
Die Parlamentarische SPD-Linke verwies darauf, dass die SPD- Abgeordneten den Kanzler auch »wenn es Spitz auf Knopf ging« nie im Stich gelassen hätten. »Wir sind für ihn durchs Feuer gegangen«, sagte ihr Sprecher Ernst Dieter Rossmann. Die SPD sei aber nun einmal keine Partei, »in der alles einfach abgenickt wird«.
Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck reagierte zurückhaltend auf Schröders Kritik. In dessen Memoiren werde niemand beleidigt. Es handle sich eine »subjektive Betrachtung« von Schröders Regierungszeit. Dies respektiere er ausdrücklich und wolle dies auch nicht bewerten.
Merkel will nicht auf Schröders Führungsschwäche-Vorwurf an ihre Adresse eingehen. »Für die Bundeskanzlerin sehe ich nicht die Rolle, über die Bewertung ihres Vorgängers ein Urteil abzugeben«, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) nannte Schröders Verhalten dagegen »unwürdig«. »Basta hat man, glaube ich, lange genug gehört«, sagte er in Berlin. »Wie man eine Karriere beendet, hat man sehr gut an Michael Schumacher gesehen«, meinte sein Düsseldorfer CDU-Amtskollege Jürgen Rüttgers.
CSU-Generalsekretär Markus Söder sagte: »Der typische Schröder, wie wir ihn kennen. Arrogant und überheblich.« Für ihn seien immer alle anderen schuld gewesen. »Wie gesagt, bei Geisterfahrern ist das häufig auch so, dass die anderen schuld sind.« Auch Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) und Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) hatten die Kritik Schröders scharf zurückgewiesen.
Der Altkanzler hatte zu Merkels Arbeit in der großen Koalition dem »Spiegel« gesagt: »Es fehlt einfach Führung.« In der »Bild am Sonntag« bemängelte er: »Gelegentlich scheint mir ein Basta zu fehlen.«
FDP-Vorsitzender Guido Wes-terwelle sagte, Schröder solle als schlechter Kanzler nicht so mit Merkel umgehen. »Ich finde, dass jemand, der mit Pauken und Trompeten gezeigt hat, dass er wirklich kein guter Kanzler in Deutschland war, etwas stilvoller mit seiner Nachfolgerin im Amt umgehen sollte.«
Er habe nicht die Absicht, sich als Hilfstruppe für Schröders Buch-Werbekampagne zu betätigen, kündigte Grünen-Chef Reinhard Bütikofer an. Nach Angaben des Internet-Anbieters »Amazon« hat das am Donnerstag erscheinende Schröder-Buch mit dem Titel »Entscheidungen« bei den Vorbestellungen auf Anhieb Platz eins erreicht.
Seinem früheren Finanzminister Oskar Lafontaine bescheinigt Schröder eine »Neigung zu Opposition«. Sie sei möglicherweise eine Folge des Attentats auf den einstigen SPD- und heutigen Linkspartei-Politiker im Jahr 1990, schreibt Schröder in seinen Memoiren. Die Erfahrung des Attentats habe diese Eigenschaft Lafontaines möglicherweise noch verstärkt.

Artikel vom 24.10.2006