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Glückwunsch,
Feuertaufe
bestanden!

Konzertdebüt des Universitätschors

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Jeder ringt um sein Publikum, und deshalb ist es heute keine Selbstverständlichkeit, wenn die Oetkerhalle bei einem Chorkonzert nahezu ausverkauft ist. Dass das Interesse am Konzert des Universitätschors groß war, lag in der Natur der Sache.

Bis auf den Namen ist fast alles neu am Universitätschor Bielefeld. Die Mannschaft hat bis auf wenige Ausnahmen komplett gewechselt, seit Dorothea Schenk im Februar dieses Jahres die Leitung des von Werner Hümmeke gegründeten Chores übernahm. Aus der Kooperation mit dem Oratorienchor Münster wurde eine Zusammenarbeit mit dem Haller Bach-
Chor. Auch die Kammersymphonie Hannover begleitete den Unichor erstmals.
Bei so viel Neuerung darf man wohl von einem Konzertdebüt reden, in dessen Mittelpunkt der Jubilar Mozart und sein Requiem standen - ein Werk, das die alte Universitätschormannschaft unter neuem Namen (»Konzertchor Bielefeld«) drei Wochen zuvor an gleicher Stelle mit euphorischem Überschwang und Klangfrische aufgeführt hatte.
Über klangliche Frische verfügt auch der an jungen Stimmen reiche Universitätschor, der von Dorothea Schenk in den vergangenen Monaten aufgebaut und stimmtechnisch hörbar geformt wurde. Mit zunehmender Sicherheit und im Laufe des Abends immer deutlicher hervortretendem Animato setzten die zum Mega-Chor verschmolzenen Sänger und Sängerinnen aus Bielefeld und Halle die differenzierten Vorgaben von Dorothea Schenk um.
Mit suggestiver Kraft klangen die Schrecken des Jüngsten Gerichts an. Ebenso eindringlich die flehendliche Bitte und Fürbitte. Schenk lenkte mit Gespür für dramatische Steigerungsbögen und Kontrastschärfe, was in einer ausgefeilten Agogik und Dynamik seinen Niederschlag fand. Einzig an der Klangbalance darf noch gefeilt werden: Zwischen dominantem Sopran und zurückhaltendem Alt stachen ausdrucksstarke, markante Männerstimmen heraus - ein seltener Glücksfall.
Im Requiem schließlich liefen auch Hannoveraner Orchester und Solistenquartett aus Katherina Müller (Sopran mit Strahlkraft), Annette Markert (Lyrisches Timbre und gefühlvolle Durchdringung), Martin Petzold (harmonisch im Quartett) und Klaus Mertens (mit bewährter geschmeidiger Bassgrundierung) -Êzu ausdrucksvoller Tongebung und Präzisionsarbeit auf - nachdem der Einstieg ins Programm diesbezüglich eher verhalten verlaufen war.
Meisterte man noch eine Gegenüberstellung von Mozarts gereiftem Spätwerk »Ave verum corpus« und Frühwerk »Kyrie d-Moll« solide, so ließ Bachs Kantate »O Ewigkeit, du Donnerwort« klangliche Rundung und gestaltereische Ausdruckskraft (vornehmlich im Tenor) sowie orchestrale Strahlkraft - bis hin zum völligen Abdriften der Primgeige -Ê vermissen.
Da Schenk die drei kurzen Werke vor der Pause »attacca« aneinanderreihte, blieb ihnen zudem eine Nachwirkzeit verwehrt.
Der unglückliche erste Eindruck wurde im Mozart-Requiem jedoch zugunsten eines wunderbar präzisen, spannungsreichen und harmonisch durchformten Musiziergeistes revidiert.
Der verdiente tosende Applaus des Publikum bescherte dann noch die Erkenntnis, dass der Chor - erste einmal warmgelaufen -Ê Mozarts »Ave verum« nicht nur solide, sondern auch rührend innig gestalten kann. Na also, geht doch!

Artikel vom 24.10.2006