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Zerstrittene Ungarn erinnern sich

Aufstand von 1956 forderte 2600 Menschenleben - 200 000 flohen


Budapest (Reuters). 50 Jahre nach dem Volksaufstand gegen die kommunistische Herrschaft können sich die Ungarn nicht auf das Erbe ihrer gescheiterten Revolution einigen.
Im Gedenken an die 2600 Toten sollten heute in Budapest gleich zwei Feiern stattfinden: Eine offizielle auf dem Heldenplatz und eine zweite nahe dem nationalen Radiosender, wo es 1956 zu schweren Gefechten kam. Dort wollen sich einige der Aufständischen versammeln wie auch die Opposition. Diese demonstriert seit langem gegen den sozialistischen Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsany.
Im Herbst 1956 befreite sich Ungarn kurz aus der Umklammerung des Kommunismus. Männer, Frauen und Kinder kämpften damals gegen die Rote Armee in den Straßen von Budapest. Sie brachten Panzer zum Stehen und zerstörten sie. 600 sowjetische Soldaten starben. Am Ende wurde die Revolution niedergeschlagen, 200 000 Ungarn flohen. Ministerpräsident Imre Nagy wurde 1958 wegen seiner Beteiligung an dem Volksaufstand hingerichtet wie etwa 200 andere Menschen auch.
Bis heute ist niemand aus dem gefürchteten Apparat der Staatssicherheit vor Gericht gestellt worden. Dessen Brutalität war berüchtigt: Einige Kinder wurden so lange im Gefängnis gehalten, bis sie 18 waren und dann legal exekutiert werden konnten. Die Akten aus der kommunistischen Ära sind weiter unter Verschluss. Medienberichten zufolge soll dort stehen, dass Peter Medgyessy, Ministerpräsident bis 2004, der Geheimpolizei angehörte. In der Parteizentrale der Sozialisten hängt weiter eine Plakette mit der Aufschrift: »Für die Märtyrer, die bei der Verteidigung des Gebäudes gegen Konterrevolutionäre starben.« Die Tafel ist verdeckt, aber nicht abmontiert. Vor etwa einem Monat gelangten Bemerkungen von Gyurcsany an die Presse, seine Sozialisten hätten die Wähler gezielt belogen, um wiedergewählt zu werden. Seitdem hagelt es massive Straßenproteste.

Artikel vom 23.10.2006