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»Eltern kriegen
die Kinder nicht
mehr zu sehen«

Protest gegen neue Schulanfangszeit

Von Markus Poch(Text und Foto)
Sennestadt/Senne (WB). Mit großem Erfolg für ihren Haushalt hatte die Stadt Bielefeld vor drei Jahren damit begonnen, die Anfangszeiten des Schulunterrichts in den nördlichen Stadtteilen zu verlegen. So konnte man mit weniger Schulbussen die gleiche Anzahl an Schülern transportieren. Dieses Modell soll auch im Bielefelder Süden eingeführt werden. Allerdings sind sowohl die betroffenen Schulen als auch die Eltern und Schulpflegschaftsvertreter in der Mehrzahl dagegen.

Betroffen sind in diesem Fall aus Sennestadt die Brüder-Grimm-Schule (30 Prozent Buskinder), die Hans-Christian-Andersen-Schule (44 Prozent) sowie aus Senne die Hauptschule (30 Prozent Buskinder), die Realschule (24 Prozent) und die Bahnhofschule (sieben Prozent). Zur Diskussion steht die Verlegung des täglichen Unterrichtsstarts von 8 auf 8.30 Uhr. Diese vorgeschlagene Neuregelung, die zum Halbjahreswechsel (1. Februar 2007) oder zum Schuljahreswechsel im Sommer 2007 in Kraft treten könnte, lehnen Eltern und Schulpflegschaftsvertreter der genannten Schulen »in aller Deutlichkeit« ab. Ihre Gründe benennen sie in einem Brief an Georg Müller, den Leiter des Amtes für Schule und städtische Kinder- und Jugendeinrichtungen, den das WESTFALEN-BLATT in Auszügen abdruckt:
l »Ein späterer Unterrichtsbeginn führt zwangsläufig zu einem späteren Unterrichtsende. Die Konzentrations- und Aufnahmefähigkeit ist in im Bereich der fünften und sechsten Stunde bereits sehr gering. In der Folge ist zu erwarten, dass die Lernergebnisse der Schüler sich verschlechtern werden. Dies gilt unserer Meinung nach besonders für Grundschüler, da deren Aufmerksamkeitsspannen noch geringer sind als die älterer Schüler.
l Schüler, die jetzt um 13.20 Uhr Unterrichtsschluss haben, hätten es nach der neuen Regelung erst um 13.50 Uhr. Sie wären zum Teil erst gegen 14.30 Uhr oder später zu Hause. Das bedeutet auch: Mittagessen um 14.30 Uhr ?! Danach Hausaufgaben - ein großer Teil des Nachmittags ist bereits vorüber, ohne dass die Kinder ihrem Bewegungsdrang an frischer Luft nachgehen konnten. Ab 16 Uhr (im Winter ist es bereits dunkel) haben sie dann endlich Freizeit. Angebote von Vereinen, Kirchen, Musikschule etc. sind nur noch eingeschränkt möglich. Auch den Kindern der Offenen Ganztagsschule (OGS) ist dann erst die Zeit nach 16 Uhr für Angebote frei.
l Ein so spätes Mittagessen nimmt vielen Familien die Möglichkeit, geregelte gemeinsame Mahlzeiten einzunehmen, das Miteinander wird entscheidend eingeschränkt. Dies würde den ohnehin zu beobachtenden Werteverfall in unserer Gesellschaft noch verstärken. - Eventuell müsste die Schule den Schülern Gelegenheit geben, eine warme Mahlzeit zu sich zunehmen. Eine Essensausgabe, ein Speiseraum und längere Pausenzeiten (damit ein noch späteres Unterrichtsende) wären die Folge. Davon abgesehen sind alle Schulen im Bielefelder Süden räumlich nicht entsprechend ausgestattet.
l In vielen Familien gehen die Kinder zu verschiedenen Schulen - von der Grundschule bis zum Gymnasium. Die Eltern müssten sich daher auf unterschiedliche Schulanfangszeiten einstellen. Viele Familien stellt ein späterer Unterrichtsbeginn vor erhebliche Probleme. Dadurch wird die Berufstätigkeit der Eltern erschwert. Vorrangig die Grundschulkinder müssten in der Betreuungszeit vor Schulbeginn aufgefangen werden. Hier entstehen für die Eltern Kosten, und die Zahl der Betreuungsplätze wird erheblich steigen.
l Die Nutzung zum Beispiel der Sporthallen würde unnötig erschwert werden. Unsere Hallen werden nicht nur von uns selbst, sondern auch von Vereinen genutzt. Als Schule müssten wir auf die Freistellung der Hallen für die schulische Arbeit bestehen, die Vereinsarbeit würde somit in Mitleidenschaft gezogen werden.«

Schulverwaltungsleiter Georg Müller will alle Kritikpunkte seitens der Schulen und der Eltern dem Schulausschuss vorlegen und auch mit den beiden Verkehrsbetrieben bvo und moBiel sprechen. »Je nach dem, wie uns dann die Politik den Rücken stärkt oder nicht, ist möglicherweise die Entscheidung der Bezirksregierung gefragt«, betont er. Eleonore Reese und Annette Schiemann aus Sennestadt sprechen skeptisch für alle Elternvertreter, wenn sie sagen: »Mit der geplanten Regelung kriegen alle Eltern ihre Kinder nicht mehr so oft zu sehen...«

Artikel vom 21.10.2006