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Von Michael Schläger

Bielefelder
Optik

Kein Wunder von Bielefeld


Bielefelds Wirtschaft brummt. Stadtkämmerer Franz-Josef Löseke kann sich in diesem Jahr auf 176 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen freuen. Eine Rekordsumme. Noch vor drei Jahren, als die Konjunkturflaute ihren Tiefpunkt erreichte, zahlten die Unternehmen nur 101 Millionen. Die fehlenden Millionen und explodierende Sozialkosten führten die Stadt in die tiefste Finanzkrise der Nachkriegszeit.
Löseke zeigte sich zu Wochenbeginn selbst überrascht vom neuen, überaus positiven Trend. Doch von einem »Wunder von Bielefeld« zu sprechen, wäre verfehlt. Landauf, landab profitieren die kommunalen Finanzchefs derzeit von der gut laufenden Konjunktur. Landauf, landab haben sich in den Städten und Gemeinden aber auch so viele Schulden angesammelt, dass sie bei einem Privatmann oder einem Betrieb noch immer unweigerlich zur Insolvenz führen würden.
Bis 2010 wird die Stadt Bielefeld ihr Girokonto um 330 Millionen Euro überzogen haben. Hinzu kommen noch die langfristigen Verbindlichkeiten. Anderswo sieht es nicht besser aus. Vor diesem Hintergrund werden die Kämmerer weiterhin die »Spaßbremsen« der Politiker bleiben. Doch auch dort scheint die Einsicht gewachsen zu sein, dass steigende Einnahmen nicht automatisch zu steigenden Ausgaben führen können. Das zeigt die Stellungnahme der CDU zu Lösekes jüngsten Zahlen. Fraktionschef Rainer Lux kommt zu dem Schluss, dass zur Euphorie wahrlich kein Anlass bestehe.
Denn wie Bielefeld den »Dispo« im dreistelligen Millionenbereich nach 2010 - wie vorgeschrieben - zügig abbauen will, darüber werden sich die Verantwortlichen im Rathaus in naher Zukunft noch reichlich die Köpfe zerbrechen müssen.
Das Schielen auf die Gewerbesteuereinnahmen zeigt auch, wie abhängig die Stadt von ihrer wichtigsten Einnahmequelle ist. So wünschenswert es auch wäre - man kann davon ausgehen, dass der Geldsegen nicht von Dauer ist. Schon für das kommende Jahr hat Löseke seine Erwartungen vorsichtshalber leicht zurückgeschraubt. Er geht von (immer noch respektablen) 170 Millionen aus. Die Mehrwertsteuererhöhung der Bundesregierung werde der Konjunktur zumindest einen leichten Dämpfer verpassen.

Artikel vom 21.10.2006