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Nicht nur mitternachts spitze
Jürgen Becker solo auf kabarettistischer Missionsreise
Delbrück/Osnabrück. Die Hälfte aller Deutschen glaubt an Wunder, jeder Vierte fürchtet den Teufel, und 64 Prozent sind laut Forsa-Umfrage überzeugt, dass es Gott gibt. Und selbst wer nichts glaubt, muss dran glauben. Für Jürgen Becker nämlich ist nichts und niemand heilig. »Ja, was glauben Sie denn?« fragt er am Samstag, 25. November, 20 Uhr in der Stadthalle Delbrück. Als Missionar des rheinischen Frohsinns ist der Kölsche Kabarettist einen Tag zuvor schon in Osnabrück (20 Uhr, Stadthalle) zu Gast. Auch dort serviert er eine kabarettistische »Götterspeise«, die nicht nur Katholiken zur geistigen Entschlackung empfohlen wird.
Wie gewaltig ist Religion? Jürgen Becker wollte das wissen und hat sich für sein neues Programm die Mythen der Welt zur Brust genommen. Was da zum Vorschein kommt, glaubt kein Mensch. Oder wussten Sie, dass die Inder Gott für eine Schildkröte hielten und den Ursprung der Welt für einen Butterberg? Oder haben Sie mal darüber nachgedacht, ob ein Atheist ein Heide mit Attest ist? Der rheinische Froh- und Freigeist Jürgen Becker, der im Karneval geboren und im Rheinland verwurzelt ist, stillt den religiösen Appetit auch jenseits des Rheins auf satirische Art und Weise. Und auch hier wächst das Erstaunen, wie sehr die Freude am Unsinn die Suche nach dem Sinn beflügelt.
Der Kölner ist eben nicht nur mitternachts spitze. In Zeiten seichten Comedy-Klamauks verleiht er jedem Kalauer Tiefgang. Mit seinen Rück- und Kurzschlüssen entblößt er hinterlistig und spitzbübisch die gesellschaftlichen Zustände, ohne dabei den Zeigefinger zu erheben. »Er weiß nur bestimmt, dass andere mehr wissen als er. Deshalb gräbt er nach immer neuen Dingen. Sie fallen ihm aus dem Mund wie dem Publikum die Schuppen von den Augen«, lobte die Jury, die Jürgen Becker jüngst den Prix Pantheon 2006 in der Kategorie »Reif und bekloppt« verlieh. Diese Auszeichnung hat der pointensichere Plauderer der WDR-Frühstückspause, witzig-vielseitige Gastgeber der »Mitternachtsspitzen« und glänzende Alleinunterhalter redlich verdient. Oder was glauben Sie? Margit Brand

Artikel vom 03.11.2006