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Unwohlsein schleicht herauf

Bernd Wilden komponierte neue Filmmusik zu »Der letzte Mann«

Von Uta Jostwerner und
Hans-Werner Büscher (Foto)
Bielefeld (WB). Zwei Jahre liegt es zurück, da gelang Bernd Wilden mit der Komposition einer neuen Filmmusik zum Stummfilm »Nosferatu« ein großartiger Wurf. Nun ist die damalige Auftraggeberin, die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Gesellschaft, erneut mit einem Kompositionsauftrag an den Bielefelder Komponisten und Dirigenten herangetreten.

So entstand in den vergangenen Wochen und Monaten eine neue Musik zu dem Stummfilm »Der letzte Mann«, mit dem das diesjährige Film&Musik-Fest der Murnau-Gesellschaft eröffnet wird (siehe dazu auch untenstehenden Artikel).
Am Ende - und das scheint bei Komponisten ein Naturgesetz zu sein -Êrennt die Zeit davon. »In den letzten Wochen habe ich wie wild gearbeitet. Der Endspurt ist immer schrecklich«, sagt Bernd Wilden, der vor zwei Wochen die Arbeit an der Partitur abgeschlossen hat. Der Autograph in fein säuberlicher »Sonntagsnachmittagsausgehschrift« umfasst 364 Seiten im DIN-A3-Format. Bei der Abschrift der Stimmen haben Freunde geholfen.
Mittlerweile ist das Notenmaterial auf dem Weg zum Philharmonischen Orchester Hagen, welches - wie schon bei »Nosferatu« - das Werk unter Wildens Leitung im Rahmen des Filmfestivals in der Oetkerhalle zur Uraufführung bringen wird. »Die Arbeit mit dem Orchester bereitet einen Riesenspaß«, sagt der 40-Jährige, der das Orchester aus seiner Zeit als erster Kapellmeister in Hagen noch gut kennt.
»Der letzte Mann«, 1924 unter der Regie von Friedrich Wilhelm Murnau gedreht, beschreibt den Niedergang eines Mannes. »Das ist ein echtes Sozialdrama«, sagt Bernd Wilden. Ein alter Portier wird zum Toilettenwächter degradiert, von den Nachbarn verlacht und den Verwandten verstoßen. Zum letzten Mann geworden, sieht man ihn resigniert und traurig in seinen Keller hinabsteigen. »Hier müsste der Film eigentlich enden. Doch die Zensur zwang Murnau und seinem Drehbuchschreiber Carl Mayer ein Happyend auf. Musikalisch versuche ich das ein wenig zu unterlaufen«, erzählt der Komponist, der dazu den großen sinfonischen Apparat zweiteilt. »Während die Holzbläser ihre alte Melodie weiterspielen, schleicht sich von unten aus den tiefen Streichern ein Unwohlsein ein.«
Emotionale Vertiefung und psychologische Ausdeutung leistete schon Wildens »Nosferatu«-Musik, die jetzt auch vom Babelsberger Orchester entdeckt und im Rahmen eines Stummfilm-Festival auf den Plan gehoben wurde.
Für Wilden ist Filmmusik kein schmückendes Beiwerk, keine bloße Untermalung, sondern eine Art Musiktheater mit eigenständigen dramatischen Funktionen. »Nur, dass die Bühne schon fertig ist«, sagt der Filmmusikkomponist, der in den vergangenen Jahren auch als Tonsetzer von einer Ballettmusik, einer Kinderoper, von Kammermusik und zuletzt mit einer Hommage an Gershwin und Mozart von sich reden machte.
Nun darf man gespannt sein auf 90 weitere Minuten Musik aus der Feder des Bielefelders.

Artikel vom 21.10.2006