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Putin zeigt EU kalte Schulter

Russland lehnt Energiepakt ab - Merkel unter Druck

Lahti (dpa). Der russische Präsident Wladimir Putin hat den Ländern der Europäischen Union weitere Öl- und Gaslieferungen zugesichert, Garantien zur langfristig sicheren Energieversorgung aber zurückgewiesen.

Nun muss Bundeskanzlerin Angela Merkel versuchen, unter deutschem EU-Vorsitz im ersten Halbjahr 2007 eine Lösung auszuhandeln. Russisches Öl und Gas deckt ein Viertel des EU-Verbrauchs.
Die Bundeskanzlerin hatte beim EU-Gipfel im finnischen Lahti bekräftigt, dass die Inhalte der Energie- Charta von 1994 »wichtig und unverzichtbar« seien. Falls Russland die Ratifizierung der Charta weiter verweigert, sollen zentrale Energiefragen nach dem Willen der 25 EU-Staaten in einem neuen Partnerschaftsabkommen festgeschrieben werden. Putin erklärte, er sei nicht gegen die Prinzipien, die in der Energie-Charta festgelegt seien. Es sei aber zu früh, um über deren Einbau in die Abkommen zu sprechen. »Einige Bestimmungen müssen besser herausgearbeitet werden.«
Merkel begrüßte das »hohe Maß an Gemeinsamkeit der Europäer« bei dem Gespräch mit Putin. Trotz unterschiedlich großer Abhängigkeit von russischen Energielieferungen und verschiedenen Lösungsvorschlägen hatten sich die Staats- und Regierungschefs in Lahti letztlich auf eine Linie geeinigt. Im Vertrag über die wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit geht es um Fragen des gemeinsamen Wirtschaftsraums wie etwa das Recht europäischer Fluggesellschaften zum Überflug Sibiriens. Auch die Justiz- und Innenpolitik samt der Erteilung von Einreisevisa gehört dazu. Weitere Vertragspunkte sind die äußere Sicherheit sowie die Zusammenarbeit in Kultur, Wissenschaft und Erziehung.
Der Präsident des Europa-Parlaments, Josep Borrell, warnte in Lahti vor einem »Verkauf von Menschenrechten für Öl und Gas aus Russland«. Vor dem Konferenzort protestierten etwa 200 Demonstranten gegen russische Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien und den Mord an der Journalistin Anna Politkowskaja. Der Ratspräsident und finnische Regierungschef Matti Vanhanen lobte die große Offenheit der Diskussion mit Putin, bei der er auch diese kritischen Fragen angesprochen habe.

Artikel vom 23.10.2006