20.10.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Nur haarscharf an
Psychiatrie vorbei

Übergriff auf behinderte Frau

Bielefeld (uko). Nur haarscharf an einer Haftstrafe oder an der Unterbringung in der Psychiatrie ist am Donnerstag der Bielefelder Reinhard S. (37, Name geändert) vorbeigeschrammt. Wegen sexueller Nötigung einer Behinderten und wegen exhibitionistischer Handlungen erhielt er eine zweijährige Bewährungsstrafe. Die Anordnung einer Maßregel wurde ebenso zur Bewährung ausgesetzt.

Am Abend des 21. August 2005 hatte sich der Bewohner des Hauses Heidegrund in Eckardtsheim einer im Rollstuhl sitzenden Mitbewohnerin genähert. Die Frau ist halbseitig gelähmt, kann sich nur mit wenigen Worten artikulieren. Den Versuch seines sexuellen Übergriffs hatte die Behinderte dementsprechend abgewehrt.
Beobachtet worden war diese Szene von einer Krankenpflegerin, deren Einschreiten den Täter umgehend verscheuchte. - Nur zehn Tage später fiel Reinhard S. erneut auf. In Sennestadt verbarg er sich hinter einem Gebüsch. Als eine 87-jährige Seniorin des Weges kam, zeigte er sich ihr nackt.
Reinhard S. hat in den vergangenen 25 Jahren eine Odyssee durch Jugendeinrichtungen sowie Heil-, Pflege- und psychiatrischen Anstalten hinter sich gebracht. Er ist zudem sehr oft durch seinen nur medikamentös zu bremsenden Sexualtrieb aufgefallen. Unter anderem war er wegen versuchter Vergewaltigung angeklagt und zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden.
Nach Ansicht des psychiatrischen Sachverständigen Dr. Martin Reker hat Reinhard S. einen erworbenen Hirnschaden. Er leidet unter einer Chromosomen-Anomalie, die eine »krankhafte seelische Störung bewirke«. Juristisch gesehen ist der Mann daher zwar einsichtsfähig, sei aber während seiner Taten nur vermindert steuerungsfähig gewesen.
Alle Juristen betonten gestern die Notwendigkeit eines »strukturierten Tagesablaufs«, der zweifellos im Haus Heidegrund garantiert sei. Reinhard S. wurde verpflichtet, regelmäßig seine Medikamente einzunehmen und Alkoholgenuss zu meiden. Zudem muss er dafür Kontrollen akzeptieren. Nach diesen Maßgaben verurteilte die 10. Strafkammer den Mann wegen versuchter sexueller Nötigung und wegen Exhibitionismus zu zwei Jahren Bewährungsstrafe. Auch die zugleich angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Artikel vom 20.10.2006