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Menschen im Strudel

Heisenbergs preisgekrönter Film »Schläfer« bei Arte

Arte, 20.40 Uhr: Könnte er ein Terrorist sein? Diese Frage stellt sich in Benjamin Heisenbergs Film »Schläfer« für Bastian Trost. Gemeint ist Mehdi Nebbou. Loretta Pflaum macht das Trio der Hauptdarsteller komplett.

Johannes (Trost) arbeitet als Doktorand im Münchener Institut für Virologie an einem wichtigen Forschungsprojekt. Er freundet sich mit seinem algerischen Kollegen Farid (Nebbou) an, der zugleich sein Konkurrent ist. Empört hat Johannes einen Versuch des Verfassungsschutzes zurückgewiesen, ihn als Spitzel auf Farid anzusetzen. Doch nach und nach kommen ihm Zweifel, ob der Kollege aus der muslimischen Welt nicht doch ein potenzieller Terrorist - ein »Schläfer« - sein könnte, wie Frau Wasser (Gundi Ellert), die bayerische Dame vom Geheimdienst, mutmaßt.
Mit seinem Spielfilm heimste Regisseur Benjamin Heisenberg (32) hohes Lob bei der französischen und amerikanischen Filmkritik ein. Bei Arte wird der prämierte Film erstmals im Fernsehen gezeigt.
Für Johannes vereinigen sich Berufliches, Politisches und Privates zu einem Mix aus unterschiedlichen Motiven. Zwar haben er und Farid beschlossen, mit der beruflichen Konkurrenzsituation freundschaftlich umzugehen, doch dann wendet sich die junge Kellnerin Beate (Pflaum) dem Rivalen Farid zu. Johannes, der sich auch um Beate bemüht hat, ist verletzt. Und auch im Institut scheint Johannes gegenüber Farid ins Hintertreffen zu geraten. Schließlich lässt er sich doch auf eine Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz ein.
Kritiker bescheinigten dem Regisseur, dass er statt eines lauten Thrillers einen Film der leisen Töne gedreht hat. »Schläfer« wurde bereits im vergangenen Jahr beim Filmfestival in Cannes präsentiert. In diesem Jahr erhielt er den Max-Ophüls-Preis für die Regie, das ebenfalls von Heisenberg geschriebene Drehbuch und die Filmmusik von Lorenz Dangel.
Heisenberg, der sich auch publizistisch als Mitherausgeber der Filmzeitschrift »Revolver« engagiert, hat »Schläfer« weniger als Film über die terroristische Bedrohung gedreht. Er sieht ihn als »Film über einen gesellschaftlichen Zustand der Verunsicherung« und interessiert sich vor allem für die »psychologische Feinmechanik«. Arte zitiert den Filmemacher in der Ankündigung so: »Der Film beschreibt Konstellationen, in denen der Mensch aus der gewohnten Weltwahrnehmung geworfen wird und das Vertraute seine Unschuld verliert. Im schleichenden Strudel aus Verunsicherung, Angst, Zwiespalt und Misstrauen kann ein Augenaufschlag, ein falsches Wort, eine Berührung zum Auslöser einer politischen und menschlichen Tragödie werden.«

Artikel vom 20.10.2006