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Heute »Real-Schule«,
morgen »Kellogg's Kolleg«

Volker Pispers witzelt im Ringlokschuppen


Bielefeld (WB/jm). Clever, witzig und bitterböse - anders kann man Volker Pispers nicht beschreiben. Der »unscheinheilige« Kabarettist gehört zu den Meistern seines Fachs, wie nicht nur unzählige Preise, sondern auch sein restlos ausverkaufter Auftritt im Ringlokschuppen beweisen.
Ob alt oder jung - Pispers zieht jeden in den Bann. Der gebürtige Mönchengladbacher ist ganz einfach komisch. Schon als er sich vorstellt, beginnt das Chaos: »Ich begrüße Sie zu meinem neuen Programm Ý. . . bis neulichÜ, das ich schon seit über vier Jahren spiele.«
Zwar war das Programm als Best of aus neuen und alten Stücken geplant, doch Pispers bindet immer wieder gekonnt brandaktuelle Themen ein. Somit kann sehr wohl von einer aktuellen Show die Rede sein, die sich von Auftritt zu Auftritt aktualisiert. Einige Sprüche sind uralt: »15 Jahre!!! So lange hat nicht einmal das 1000-jährige Reich bestanden. Wissen Sie, wie viele Ehen Sie in der Zeit schon hatten?« Der komplette Saal lacht im Sekundentakt, Pispers' Zuhörer haben nicht mal Zeit, Luft zu holen, da platzt schon die nächste »Bombe«.
Politiker und Promis, Manager und Ärzte, Lehrer und Eltern, Deutsche und Ausländer - Pispers zieht jeden durch den Kakao. Beeindruckend ist nicht nur sein flinkes Mundwerk, sondern auch sein computerähnliches Gedächtnis; sein Fachwissen stellt das seiner Kollegen weit in den Schatten. Gelegentlich jedoch kann man dem Zahlensalat nur bedingt folgen, was ein bisschen anstrengt.
Doch weiter geht's von einer geheimen Zahnputzszene am Bielefelder Bahnhof bis zu Arbeitslosen, die dafür bezahlt werden, sich im Fernsehen Werbung anzuschauen, um die Konjunktur zu beleben. Dafür erfindet Pispers so wunderbare Ausdrücke wie »Nutto« und »Bretto«.
Nach der Pause macht die Kabarettbühne dem Pranger Platz. Jetzt werden die schlimmsten politischen Entscheidungen der letzten 20 Jahre analysiert. Wutentbrannt parodiert Pispers sich die Ereignisse aus dem Leib und verwischt die Grenzen zwischen Parodie und Beleidigungen, aber man will ja »immer fair bleiben«.
Dafür erntet Pispers tosenden Applaus der 1000 Zuschauer. Als Zugabe lästert er kräftig über das Schulwesen: »Der Staat jammert, es gebe zu wenig Neugeborene. Was ist denn mit den Jugendlichen, die keine Arbeit haben und keine Ausbildung bekommen? Von mir aus sollen die Schulen sich Sponsoren suchen - dann geht Ihr Kind eben aufs ÝKellogg's KollegÜ, in die ÝAldi-HauptschuleÜ oder zur ÝMarktkauf-GesamtschuleÜ. Ja, Sie lachen - aber ÝReal-SchulenÜ gibt es bereits . . .«

Artikel vom 21.10.2006