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In zwei Minuten das Spiel gedreht

Tolle Paderborner Moral beschert noch einen späten Punkt in Essen

Von Matthias Reichstein
Essen (WB). Der SC Paderborn 07 ist wieder zurück: Nur eine Woche nach der 1:2-Heimniederlage gegen die TuS Koblenz erkämpfte sich der Zweitligist bei Aufsteiger Rot-Weiss Essen ein hochverdientes 2:2 (0:1)-Unentschieden und zeigte dabei eine großartige Moral. Denn in Minute 90 lag der SCP noch 0:2 zurück, zwei Minuten später war die Partie gedreht.

Ein Punktgewinn, den sich Trainer Roland Seitz zu einem großen Teil selbst zuschreiben darf. Mit Hüzeyfe Dogan, Mehmet Dragusha und Lionel Esajas wechselte der Coach in der zweiten Hälfte noch drei Stürmer ein, nahm mit Thomas Bröker nur einen raus und verwunderte damit selbst seinen Co-Coach Dariusz Pasieka. »Der hat mich fünf Minuten vor Schluss gefragt, ob ich hier noch mit 0:4 verlieren will«, plauderte Seitz nach dem Nervenspiel ein »Bank-Geheimnis« aus. Der Coach hatte aber das nötige Quäntchen Glück, Dogan (90./nach Pass von Esajas) und Timo Röttger (90.+2) trafen in den Schlussminuten und machten damit einen hochverdienhten Punktgewinn perfekt. »Der späte Ausgleich tut der Moral unglaublich gut. Am Ende der Saison zählt jeder Punkt, aber der war heute ganz besonders wichtig«, strahlte Seitz. Nur eine Woche nach dem kollektiven Versagen gegen Koblenz zeigte der SCP nach einer mäßigen ersten halben Stunde eine engagierte Partie, war aggressiv, präsentierte sich lauffreudig, erarbeitete sich Chancen zuhauf und knüpfte an die glanzvolle Leistung vom 2:0-Sieg über Absteiger 1. FC Köln an.
Warum die Paderborner aber so passiv begannen, bleibt rätselhaft. Die »Quittung« für den schwachen Start stellte dann ausgerechnet ein Ex-Paderborner aus. Michael Lorenz (15.), zum ersten Mal von Anfang an dabei, köpfte einen Freistoß von Michael Bemben genau in den Knick und traf zum 1:0. Marc Gouiffe à Goufan, eigentlich für seine Bewachung bei Standards vorgesehen, hatte Lorenz sträflich ungedeckt gelassen.
Nach der Pause wurde der SCP immer stärker, die Essener immer schwächer. Doch gerade in der Paderborner Drangphase fiel das 0:2. Bembens Strafstoß (61.) war aber nicht der erwartete Knock-out. »Danach haben wir nur noch zugeschaut und aufgehört Fußball zu spielen. So etwas wird in der zweiten Liga bitter bestraft«, meinte Lorenz. Auch sein Trainer Uwe Neuhaus war tief enttäuscht: »Nach dem 2:0 haben alle gedacht, das Ding ist gelaufen. Dabei hat Paderborn heute nie aufgegeben.«
Genauso lief die Schlussphase. Der SCP erhöhte den Druck, wurde aber zunächst nicht belohnt: Thomas Bröker (67.), Roel Brouwers (82.) und Timo Röttger (82.) konnten längst die Wende einleiten, doch das blieb dann Dogan vorbehalten. Ein Zuspiel von Esajas, eine Drehung und in der Schlussminute fiel der Anschlusstreffer. »Heute endet für mich die Fastenzeit, damit habe ich mich selbst unglaublich beschenkt«, jubelte der Joker.
In der Nachspielzeit war es Timo Röttger (90.+2), der nach einem Zuspiel von Erwin Koen zum 2:2-Endstand traf. »Wir haben immer an unsere Chance geglaubt und wussten, wenn wir das erste Tor machen, wird Essen nervös. Am Schluss waren die fix und fertig, da wäre sogar noch mehr drin gewesen«, war natürlich auch Röttger überglücklich, er dachte aber gleich schon wieder weiter: »Das gibt uns einen Schub für den Pokal am Mittwoch, aber wichtiger ist der Sonntag. Da kommt Unterhaching und da geht es um Punkte für den Klassenerhalt.« Die Paderborner Moral ist wieder da, Charakterstärke hat die Elf ebenfalls eindrucksvoll gezeigt. Nur eins muss diese Elf dringend abstellen: Vier Gegentore nach vier Standardsituationen innerhalb von nur einer Woche sind nicht zweitligareif.

Artikel vom 23.10.2006