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Chronische Auswärtsschwäche

Schlechtester Bayern-Saisonstart seit 13 Jahren - Lucios schwarzer Tag

Bremen (WB/klü). Das letzte Bayern-Bild aus Bremen, das zum Auftritt des Meisters passte: Lucio humpelte auf Stützen aus der Kabine in Richtung Mannschaftsbus.

Nein, das war nicht der Nachmittag des Brasilianers. Bei zwei Gegentoren sah er ganz schlecht aus, Treffer Nummer drei legte er ins eigene Netz - und verletzte sich auch noch. Das Urteil der Ärzte: Bänderdehnung, drei Wochen Pause. Die Mannschafts-Diagnose nach dem 1:3 im Weserstadion: eine Auswärtsschwäche, die immer chronischer wird.
In der Champions-League feierte der Meister bisher drei Siege ohne Gegentor, danach gab es bei den Gastspielen in der Liga immer einen auf die Mütze. 1:2 in Bielefeld, 0:1 in Wolfsburg, 1:3 in Bremen. Seit 13 Jahren sind die Bayern im Oberhaus nicht mehr so schlecht gestartet. »Schwach war nur der Anfang«, stellte Felix Magath fest. Auch am Tag danach fand der Trainer noch immer keine Erklärung, weshalb seine Elf so zaghaft und unkonzentriert in dieses Spitzenspiel gegangen war.
Dabei hatte Oliver Kahn vorher laut gefordert: »Wir müssen in Bremen so aggressiv wie noch nie auftreten.« Der Mann im Tor machte das aber auch nur einmal vor. Da räumte er Diego in Rambo-Manier ab, der Brasilianer »bedankte« sich dafür wenig später mit einem meisterlichen Schuss zum 1:0. So hart getroffen wurde auch Kahn ruhiger, gestern war von ihm gar nichts mehr zu hören und zu sehen. Er hatte sich mit Magenproblemen abgemeldet.
War auch schwer zu verdauen, diese Lektion in Bremen. »Wir haben die erste halbe Stunde glatt verschlafen«, bekannte Philipp Lahm. Fest eingenickt waren die Angreifer: Lukas Podolski, Roy Makaay und Claudio Pizarro sahen staunend und tatenlos zu, wie die Bremer ihr gekonntes Spielchen trieben. »Die Herren standen vorne nur rum, keiner hat mal hinten ausgeholfen«, kritisierte Magath, der damit die vor einer Woche beim 4:2 gegen Hertha BSC noch so gefeierte neue Dreier-Spitze bereits wieder in Frage stellte. Zumindest gegen einen so kompakten Konkurrenten wie Bremen wäre es sicher ratsamer gewesen, eine zusätzliche Brems-Instanz ins Mittelfeld zu nehmen.
Denn Zahlen lügen nicht: Werder gewann 63 Prozent der Zweikämpfe. Abwehrspieler Daniel van Buyten bemängelte später das Engagement: »Wir hätten energischer auftreten müssen.« Allerdings: er selbst verdiente sich auch keine gute Note. Kollege Lucio lag sogar im »Sechser-Bereich« - und drei hoch begabte WM-Spieler blieben an diesem Tag ebenfalls meilenweit unter ihrer Normalform. Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski, alle gerade Anfang 20, sie spürten offensichtlich den Termin- und Reise-Stress der vergangenen zwei Wochen: Rostock, Bratislava, München, Lissabon und jetzt Bremen. Das war für sie ein bisschen zu viel. Deshalb zeigten sie an der Weser viel zu wenig.

Artikel vom 23.10.2006