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Der Ärger mit dem Müll anderer Leute

Junge Mutter aus Brackwede sollte für fremdes Sperrgut zahlen - Umweltbetrieb kulant

Von Markus Poch
(Text und Foto)
Brackwede (WB). Wer Sperrgut entsorgen will, zahlt beim Umweltbetrieb der Stadt 25 Euro für ein Volumen bis zu vier Kubikmetern. Das ist bekannt. Bekannt ist auch, dass ein solch angemeldeter Müllhaufen in der Nacht oder am Morgen vor seiner Abholung gerne noch gehörig wächst. Nachbarn und »durchreisende Entsorger« sind da nicht zimperlich, denn sie wollen das Geld sparen. Diese Erfahrung hat jetzt eine junge Mutter aus Brackwede gemacht.

Madeline Siedlaczek ist 19 Jahre alt und lebt als Alleinerziehende mit ihrem Sohn Jamai (2) in bescheidenen Verhältnissen in der Wohnsiedlung Am Depenbrocks Hof. Dort hatte sie ein paar ausrangierte Möbel zur Abholung an die Straße gestellt. »Das waren ein alter Fernseher, ein Küchentisch, einige Regalbretter und etwas Kleinkram«, sagt ihr Großvater Hans Gutbrod. »Alles zusammen höchstens drei Kubikmeter.« Um sicher zu gehen, dass es auch nicht mehr werden, überprüfte der 64-Jährige Rentner den Müllberg letztmalig gegen 22.30 Uhr und nochmals um 6 Uhr morgens. Alles hatte da noch seine Ordnung.
Um so erstaunter reagierten der Mann und seine Enkelin, als plötzlich eine Rechnung des Umweltbetriebes eintraf - über weitere 25 Euro: für die Entsorgung von stolzen acht Kubikmetern Müll. Gutbrod wollte seinem Ärger am Telefon Luft machen, prallte aber beim Umweltbetrieb ab. Erst auf Vermittlung des WESTFALEN-BLATTes begann man sich für den Fall zu interessieren.
»Laut Bericht haben meine Mitarbeiter dort um 9.45 Uhr tatsächlich acht Kubikmeter Müll aufgeladen«, versichert Rainer Hempelmann, Leiter des Geschäftsbereiches Stadtreinigung im Umweltbetrieb. »Wenn sich der Bürger verschätzt, und es sind 4,5 oder 4,6 Kubikmeter, dann drücken wir üblicherweise ein Auge zu«, sagt er. »Doch in diesem Fall waren es acht.« Natürlich kennt Hempelmann das Problem mit den Müllbergen, die sich wie durch Geisterhand in Größe und Konsistenz verändern. Jeden Tag hat er damit zu tun. Deswegen sollen die Berichte der Abholer in Zukunft immer häufiger mit Digitalfotos ergänzt werden. Die gibt es in diesem Fall nicht. Aber es gibt analoge Fotos, gemacht von Hans Gutbrod, die noch in der Entwicklung sind.
»Wenn die Familie mir glaubhaft versichern kann, dass sie maximal vier Kubikmeter entsorgen wollte, dann storniere ich die zweite Rechnung«, sagt Hempelmann. »Wir sind um größtmögliche Gerechtigkeit bemüht.« Rigoros zerstreut er Gutbrods Vermutungen, rechtschaffene Bürger würden von taktisch clever agierenden »Schätzern« über den Tisch gezogen. »Wir sind ein zertifizierter Entsorgungsfachbetrieb«, betont Hempelmann. »Jeder Vorgang läuft durch viele Hände. Da ist es dem einzelnen unmöglich, sich Vorteile zu verschaffen.«
Madeline und ihr Großvater sind nun kurzfristig besänftigt, aber weiterhin skeptisch gegenüber dem aktuellen System der Sperrgutabfuhr. Hans Gutbrod: »Ich kann doch nicht nächtelang wachen oder mir gar Urlaub nehmen, um sicher zu sein, dass nur mein Müll abgefahren wird. Da sollte sich die Stadt endlich mal etwas einfallen lassen.«

Artikel vom 19.10.2006