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Hambüchen geht
»volles Risiko«

Turn-WM: heute Start im Mehrkampf

Aarhus (dpa). Fabian Hambüchen schickte einen Fluch bis unter die Hallendecke, Philipp Boy verkroch sich mit Tränen in den Augen in den Katakomben.

Ausgerechnet an ihrem Paradegerät haben die deutschen Turner in der WM-Team-Konkurrenz den ganz großen Coup verpasst. Hambüchen erlebte dabei am Reck ein negatives Déjà-vu: 48 Stunden zuvor hatte der Gymnasiast exakt den selben Fehler beim Kovacs-Salto mit ganzer Schraube (Kolman) gemacht und an der Reckstange vorbei gegriffen. Seine Fehler-Analyse war kurz und bündig: »Das Timing hat nicht gestimmt. Ich werde jetzt im Hotel noch einmal kräftig fluchen, dann ist das Thema abgehakt und ich schaue nach vorn.«
Beim dritten Anlauf soll heute im Mehrkampf nun alles besser werden. »Ich habe nichts zu verlieren. Es gibt für mich keinen Grund, auf Sicherheit zu gehen«, kündigte Hambüchen an, die schwierigste Übung überhaupt endlich sauber durchzuturnen. »Ich gehe als Vierter in den Mehrkampf. Es wäre schon schön, wenn ich diesen Rang halten kann. Aber ich will mehr und dafür werde ich alles zeigen, was ich kann. Ich gehe volles Risiko.« Und etwas kleinlaut räumte er ein: »Für das Reck gibt es aber keinen Trost.« Dennoch freute er sich über die zehn SMS auf seinem Handy, mit denen seine Freunde in der Heimat versuchten, ihn wieder aufzubauen.
Zwar scheint derzeit ein Fluch über seinem Lieblingsgerät zu liegen, doch bei allen anderen Auftritten glänzte der nur 1,63 Meter große Jungstar wie noch nie und nährte neue Hoffnungen. Mit der Wut des Reck-Absturzes im Bauch lieferte er eine Boden-Übung ab, die absolut finalwürdig war. »Wut allein reicht aber nicht. Alles muss kontrolliert bleiben«, sagte der 18-Jährige. »Turner sind keine Maschinen. Auch Weltmeister Tomita musste am Reck diese Erfahrung machen«, sagte Vater Wolfgang Hambüchen.
»Fabi hat eine enorme mentale Stärke, sonst würde er nie beim zweiten Versuch noch mal das selbe Element turnen und es sauber an die Stange bringen«, meinte Fabians Onkel Bruno Hambüchen, der als Mental-Coach mit nach Aarhus gereist war: »Er turnt mit der Gewissheit, dass es eine 100-prozentige Sicherheit nicht gibt. Vier von fünf Mal geht es gut. Und wenn es gut geht, kann er ganz vorn sein.«
Besonders betroffen von seinem Missgeschick reagierte Philipp Boy. Der 19-Jährige hatte sich bei seiner ersten WM so viel vorgenommen, war dann aber am Reck seiner Nerven nicht Herr. »Es war richtig, ihn mitzunehmen. Aber wir müssen nun maßvoll weiter arbeiten und die richtigen Schlüsse ziehen«, sagte Hirsch und unterstrich damit, dass der Cottbuser in seinen Planung weiter eine wichtige Rolle spielt.

Artikel vom 19.10.2006