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»Kunst will
Gefühle nicht
verletzen«

Anregung, miteinander zu reden


Bielefeld (bp) Die Mozart-Oper »Idomeneo« wurde von der Intendantin der Deutschen Oper Berlin abgesetzt, weil Szenen der Inszenierung »derzeit ein unkalkulierbares Risiko« darstellten und »Störungen der Aufführung« nicht ausgeschlossen werden könnten. Das war Anlass für die Juristische Gesellschaft Ostwestfalen-Lippe zu einer Diskussion »Freiheit der Kunst - versus Freiheit des Glaubens« ins Foyer des Stadttheaters einzuladen. Prof. Dr. Wolfgang Schild, Vorsitzender der Gesellschaft, betonte, man wolle nicht über Sinn oder Unsinn der Inszenierung sprechen, sondern die Absetzung rechtlich bewerten. Intendant Michael Heicks betonte, er halte die Absetzung für einen »Fehler und ein schlechtes Zeichen«: »Kunst will nicht verletzen, sondern Dinge zur Diskussion stellen.« Wolf D. Aries, Mitarbeiter des Islamarchivs Deutschland, wies darauf hin, dass für Muslime »der Glaubensakt und die Gläubigkeit selbst unantastbar« seien: »Es gibt eine Scheu vor Thematisierung.«
Dr. Markus Jacobs, Pfarrer der Heilig Geist-Gemeinde, sprach davon, dass er selbst sich auch schon von künstlerischen Darstellungen betroffen oder verletzt gefühlt habe: »Das ist kein Thema des Islam allein.« Seiner Meinung nach gebe es ein Recht auf Achtung von religiösen Überzeugungen. Er selbst verspüre eine Hilflosigkeit, weil »Proteste erst richtig Werbung für eine Sache machten. Jacobs: »Es gibt einen Konsens des Zurückweichens.«
Prof. Dr. Johannes Hellermann (Universität Bielefeld) betonte, dass die Freiheit der Kunst im Grundgesetz verankert sei: »Auch missratene Kunst lässt den Kunstbegriff unberührt.« Ein ordnungsbehördliches Verbot setze eine gegenwärtige Gefahr für die Sicherheit voraus. Letztendlich liege die Entscheidung in der künstlerischen Verantwortung. Prof. Schild ergänzte, dass Gefühle von Angehörigen von Religionsgemeinschaften gesetzlich nicht geschützt seien. Michael Heicks machte deutlich, dass Kunst nur eine Metapher für das »richtige Leben« sei. Niemand wolle Gefühle verletzte, aber zu Diskussionen anregen: »Miteinander zu sprechen ist der bessere Weg als sich zurück zu ziehen.«

Artikel vom 19.10.2006