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Bekannt bis tief ins Weltall

Chuck Berry wird heute 80 und steht auf der Bühne

New York (dpa). Vielleicht rocken Außerirdische just in diesem Augenblick zu Chuck Berrys Stimme »Go, Johnny, Go, Go« im Entenwatschelgang durch eine Kneipe.

Im Jahre 1979 schickte nämlich die NASA die Sonde Voyager, beladen mit Kostproben der menschlichen Zivilisation, auf eine unendliche Reise durchs Weltall. An Bord befand sich auch ein Tonband mit Musik: Neben Beethovens Neunter und Mozarts »Zauberflöte« eben auch Berrys »Johnny B. Goode«. Kann sein, dass der Song irgendwo da draußen eine kleine Revolution auslöst - wie bereits auf dem Planeten Erde. Heute feiert »Mr. Rock'n Roll« seinen 80. Geburtstag.
Wie kein anderer hat Chuck Berry, der als Charles Edward Anderson in San José (Kalifornien) zur Welt kam, das Lebensgefühl der 50er und 60er herausgebrüllt. Er brach alle anerkannten Regeln, drosch absichtlich schief auf seine Gitarre ein, einfach weil die Mädchen im Publikum noch heftiger kreischten.
Ein gutes Dutzend Klassiker aus der Frühzeit des Rock 'n Roll hat Berry selbst geschrieben - im Gegensatz zu Billy Haley oder Elvis. Mit »Maybellene« gelang ihm 1955 der Durchbruch - im reifen Alter von 30 Jahren. Vorher hatte der Afroamerikaner am Fließband geschuftet, hatte in Abendkursen Friseur gelernt, hatte gespielt und gesungen mit seinem Amateurtrio. Gitarre spielen hatte er sich selbst beigebracht, im Heim für Schwererziehbare, nach einem missglückten Raubüberfall.
»Roll over Beethoven« war sein nächster großer Hit, für den allerdings 1965 die Beatles eine goldene Schallplatte bekamen. Berry betete »Sweet Little Sixteen« an, forderte zum »Reelin' and Rockin'« heraus.
Seinen berühmten Duckwalk (Entenwatschelgang), der später James Brown, Mick Jagger und Michael Jackson zu berühmten Tanzstilen inspirierte, soll Berry 1956 aus Verlegenheit kreiert haben. Um von seinen zerknautschen Klamotten abzulenken, watschelte Berry über die Bühne und die Mädels waren aus dem Häuschen.
Wie es sich für einen echten Rock-Star gehört, tauchte Berrys Name allerdings nicht nur in Verbindung mit Musik in den Schlagzeilen auf. So musste er 1979 er wegen Steuerhinterziehung für 100 Tage ins Gefängnis. In den 90ern ging es um Marihuana und Pornofilme, die er mit Minderjährigen gedreht hatte.
Was er an seinem 80. Geburtstag macht, ist gar keine Frage: Der Tag fällt auf einen Mittwoch und da steht er auf der Bühne der Kneipe »Blueberry Hill« in dem Studentenviertel The Loop in St. Louis, Missouri. Exakt 55 Minuten lang spielt Berry auf seiner übergroßen roten E-Gitarre, Modell Gibson ES-335, seine größten Hits. Außerirdische brauchen sich gar nicht mehr um Karten bemühen. Die Show ist bereits ausverkauft.

Artikel vom 18.10.2006