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Reform der Gesundheitsreform

SPD- und CDU/CSU-Fraktion sehen Beratungsbedarf - Struck: Änderungen möglich

Berlin (dpa). In der SPD-Fraktion gibt es erheblichen Widerstand gegen die geplante Gesundheitsreform. Auch die Unionsfraktion im Bundestag rechnet in den eigenen Reihen mit kritischen Stimmen.

»Es gibt eine Menge Beratungsbedarf«, sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) gestern in Berlin vor der ersten Beratung über die Reform. Die CDU-Gesundheitspolitikerin Annette Widmann-Mauz geht von Debatten unter anderem über die künftigen Zusatzbeiträge aus. Es sehe aber so aus, als sei es »ein vertretbarer Kompromiss«. Kritik regt sich auch an der Ein-Prozent-Grenze für Zusatzprämien. Der CSU-Abgeordnete Hans Michelbach forderte wegen geplanter Beitragserhöhungen mehr Entlastung bei Lohnnebenkosten.
Die SPD-Fraktionslinke Andrea Nahles nannte vor der ersten Fraktionsberatung über die Reform zwei Bedingungen für eine Unterstützung des Projekts. So müsse die »nicht akzeptable« Zuzahlung in Höhe von acht Euro ohne Einkommensprüfung geändert werden. Zudem müsse der Finanzausgleich für die unterschiedliche Verteilung der Kranken zwischen den Krankenkassen verstärkt werden. Sonst werde es bei der Abstimmung im Parlament eng, sagte Nahles. Vieles an den Reformplänen sei »ungereimt, widersprüchlich oder auch falsch«.
SPD-Fraktionschef Peter Struck sagte »intensive Diskussionen« voraus und signalisierte Änderungsbereitschaft. Das »Strucksche Gesetz«, wonach kein Gesetz den Bundestag verlässt, wie es eingebracht wird, »gilt immer«, sagte er.
Gesundheitsstaatssekretärin Marion Caspers-Merk (SPD) sagte zu den Fraktionsberatungen: »Das wird nicht einfach.« Die Menschen hätten jedoch kein Verständnis dafür, wenn nun die Reformdebatte von neuem beginnen würde. In der kommenden Woche sollen die Fraktionen von Union und SPD per Beschluss den Weg für das parlamentarische Verfahren frei machen.
Der SPD-Gesundheitspolitiker Wolfgang Wodarg sagte: »Ich möchte dieses Gesetz verhindern, weil es sich sehr, sehr schlimm auswirken wird.« So führe der geplante schärfere Wettbewerb zwischen den gesetzlichen Krankenkassen zu einer »ganz perfiden Form des Leistungsabbaus«, da Kassen in finanzieller Notlage ihre Leistungen kürzen müssten. Der Koalitionskompromiss sei von einem »kleinen elitären Kreis« ausgearbeitet worden.
In der SPD-Fraktion gebe es mehr als 30 Abgeordnete, die das Gesetz »verhindern, unschädlich machen oder hinauszögern« wollen. Andernfalls werde die SPD in Wahlkämpfen »Schaden leiden«.
Die großen Sozialverbände in Deutschland forderten gestern einen »Neuanfang bei der Gesundheitsreform«. Die Reform habe eine gravierende soziale Schieflage, bemängelten die Präsidenten des Sozialverbands Deutschland und der Volkssolidarität, Adolf Bauer und Gunnar Winkler. Erneut belaste die Koalition einseitig die Versicherten und Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung. »Die Beiträge zur Krankenversicherung steigen und die Versicherten müssen nach der Einführung des Gesundheitsfonds mit einem Zusatzbeitrag rechnen«, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung.
Alle künftigen Kostenrisiken würden auf die Patienten abgewälzt, wodurch Geringverdiener und chronisch Kranke besonders hart getroffen würden. Zudem werde durch den geplanten Gesundheitsfonds weder die Finanzierungsbasis der gesetzlichen Krankenversicherung kurzfristig stabilisiert, noch würden Maßnahmen für eine nachhaltige Finanzierung getroffen.
Die beiden Verbände lehnen vor allem den Gesundheitsfonds und den geplanten Zusatzbeitrag ab. Der als Geldsammelstelle geplante Fonds führe zu einem Wettbewerb um Gesunde und Gutverdiener und nicht zu einem Wettbewerb um die bestmögliche Gesundheitsversorgung.

Artikel vom 18.10.2006