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Ein Profi, der ins Profil passt

Bremens neues Abwehr-Ass Per Mertesacker: Härtetest gegen den Meister

Von Klaus Lükewille
Bremen (WB). Neue Stadt. Neuer Verein. Neue Kollegen. Eigene Wohnung. Sein Umfeld hat sich total verändert, Per Mertesacker aber nicht. Der lange »Kühle« aus dem Norden will kein Fußball-Schauspieler werden: »Ich bleibe, wie ich bin.«

Ruhig und gelassen außerhalb des Platzes. Engagiert und hoch konzentriert, wenn es auf dem Rasen rund geht. Für seine 22 Jahre ist dieser junge Mann schon erstaunlich reif. Kein Star, sondern total normal: »Ich muss mich nicht pausenlos auf der Mattscheibe sehen.« So einer passt natürlich prima in das Anforderungsprofil, das Werder Bremen vorgibt: Form und Format stimmen bei Mertesacker. Hundertprozentig.
»Ich hatte sofort das Gefühl, dass mich dieser Verein und dieser Trainer weiter bringen können«, blickt Mertesacker auf die Verhandlungen zurück. Und Thomas Schaaf bekennt: »Wir wollten den Per unbedingt.« Fünf Millionen Euro Ablöse, dazu gab es den Werder-Verteidiger Frank Fahrenhorst. Das war sein Preis. Mertesacker verließ im August Hannover, zog ein Stück höher in Richtung Nordsee-Küste, wo er aber nicht eine Sekunde »eingenordet« werden musste. Bremens Sport-Direktor Klaus Allofs hatte es vorher gewusst: »Der Per ist ein toller Typ. Es gab überhaupt keine Akklimatisierungs-Probleme.«
Und inzwischen klappt auch die Abstimmung im Abwehrzentrum mit dem Kollegen Naldo immer besser. Mertesacker bestritt nach seiner Fersenoperation erst am 27. September seine Premiere im neuen Trikot - ausgerechnet beim Champions-League-Hit gegen den FC Barcelona. Die Noten waren hinterher ausgezeichnet, wobei Mertesacker sich wieder einmal als ein fairer Spieler erwies: »Klar, vor dem Gegentor hätte ich den Messi foulen können. Aber das ist einfach nicht mein Stil.« Er ließ den Argentinier laufen und schießen. Endstand: 1:1. Es sollte das vorerst letzte Gegentor sein, das Werder kassiert hat. Die Ergebnisse danach: 3:0 gegen Mönchengladbach, 6:0 in Bochum und jetzt das 2:0 gegen Sofia.
Bremens Deckung, in der Vergangenheit oft eine Schwachstelle, sie steht. »Unsere Laternen«, nennt Kollege Tim Borowski die beiden »Langen«. Mertesacker (1,98 Meter) und Naldo (auch 1,98 Meter) beherrschen nicht nur den Luftraum. Das deutsch-brasilianische Duo räumt auch am Boden auf. »Sie harmonieren immer besser«, stellte Allofs erfreut fest. Die nächste Bewährungsprobe steht an diesem 8. Spieltag auf dem Programm: Wenn die Bayern in das Weserstadion kommen.
Naldo ist von Mertesacker begeistert: »Kein Sprücheklopfer, sondern ein Muster-Profi. Wir können ein Traumpaar werden.« Ganz so traumhaft bewertet der Ex-Hannoveraner sein derzeitiges Leistungsiveau allerdings noch nicht: »Die alte Sicherheit fehlt. Aber ich versuche, mich von Spiel zu Spiel zu steigern.«
Wobei das Abwehr-Ass zwei Gelegenheiten freiwillig ausgelassen hat. In Abstimmung mit Trainer Schaaf sagte er die DFB-Einladungen für die Partien gegen Georgien und in der Slowakei ab: »Das wäre noch zu früh gewesen.« Aber wenn der WM-Dritte am 15. November auf Zypern zum letzten Mal in diesem Jahr auflaufen wird, möchte Mertesacker wieder mit dabei sein. Das soll dann DFB-Einsatz Nummer 30 werden.
Im Bremer Trikot stehen erst vier Auftritte in seiner Bilanz. Doch Trainer Schaaf und Sport-Direktor Allofs trauen ihm 400 bis 500 Partien an der Weser zu. Wenn der »Lange« gesund bleibt, hat er noch eine lange Laufbahn vor sich.

Artikel vom 21.10.2006