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Mord für einen Mercedes

Witwe eines getöteten Autoverkäufers spricht über ihren Verlust

Von Christian Althoff
Gütersloh(WB). »Tschüss, Dicker!« Als sich Angelika K. (57) am 11. April wie jeden Morgen von ihrem Mann verabschiedet, ahnt sie nicht, dass es das letzte Mal sein wird. Vier Stunden später ist Werner K. (56) tot - erschossen von einem Einbrecher. »Der hat nicht nur Werner umgebracht, sondern auch mein Leben zerstört«, sagt die Gütersloherin, die jetzt erstmals die Kraft gefunden hat, über ihren Verlust zu sprechen.
Malkhaz B. (42) aus Paderborn steht unter Mordverdacht.
Seit 25 Jahren hatte Werner K. in Gütersloh einen Autohandel betrieben, seit 18 Jahren war er mit Angelika K. verheiratet. »Ich hatte vor, zum Jahresende in Altersteilzeit zu gehen, um mehr Zeit mit meinem Mann zu verbringen. Wir wollten uns langsam auf unseren Ruhestand vorbereiten und hatten uns auf gemeinsame Reisen gefreut«, erzählt die Bertelsmann-Angestellte. Ihr Mann sei kulturell und geschichtlich sehr interessiert gewesen: »Er hat mir Rom und den Vatikan gezeigt, wir waren in Pompeji und haben die Amalfiküste kennengelernt.«
Doch dann kam der 11. April 2006 - der Tag, an dem die heile Welt des Ehepaares zusammenbrechen sollte. Als Werner K. nach der Mittagspause seinen Verkaufspavillon aufschloss, sah er sich in dem engen Büro unvermutet einem Einbrecher gegenüber. Die später gefundenen Spuren sprechen dafür, dass es nicht mehr zu einem Kampf gekommen ist. Der Täter muss sofort geschossen haben, bevor er sich Schlüssel und Papiere eines silberfarbenen Mercedes CDI schnappte und mit dem Wagen floh. Allerdings verlor der Täter auf dem Weg zu dem Auto sein Handy -Êes führte Hauptkommissar Ralf Östermann und seine Mordkommission zu dem Georgier Malkhaz B. (42) aus Paderborn. Der Mann, der von Anwalt Dr. Holger Rostek verteidigt wird, bestreitet die Tat. Trotzdem geht Staatsanwalt Klaus Metzler davon aus, ihm den Mord nachweisen zu können: »Außer dem Telefon haben wir nämlich am Fenster des Pavillons einen Schuhabdruck des Georgiers gefunden, den er beim Einsteigen hinterlassen hat.«
Anfangs habe sie noch geglaubt, den Verlust ihres Mannes ohne Hilfe verarbeiten zu können, erinnert sich Angelika. »Aber das ging nicht. Ich hatte Angst, allein in der Wohnung zu sein. Ich habe abends überall Licht angemacht und in Schränken und unter den Betten nach Einbrechern gesucht. Mal war ich verkrampft, mal habe ich gezittert - ich war panisch«, sagt die Frau, die das Geschäft ihres Mannes inzwischen verkauft hat.
Dass sie nicht durchgedreht sei, erzählt die Gütersloherin, habe sie ihrer jüngeren Schwester Karin zu verdanken. »Wir sind schon immer unzertrennlich gewesen, und es hat kaum einen Tag in unserem Leben gegeben, an dem wir nicht miteinander telefoniert haben.« Nach dem gewaltsamen Tod ihres Ehemannes sei ihre Schwester vorübergehend bei ihr eingezogen. »Ich konnte ihr stundenlang mein Herz ausschütten, und Karin hat mir die Angst vor der Einsamkeit genommen«, lächelt Angelika K.
Einen inneren Abstand zu der Tat hat sie aber dennoch bis heute nicht gefunden. »Es sind die vielen Kleinigkeiten, die mich ständig an Werner erinnern. Beispielsweise hat er an Wochenenden immer einen ganzen Stapel Zeitungen gelesen. Ich habe dann anschließend überall im Wohnzimmer die einzelnen Seiten zusammensuchen müssen. Solche vertrauten Dinge fehlen mir heute.«
Nach vielen Wochen waren die beiden Schwestern schließlich mit ihren Kräften, sich gegenseitig aufzubauen, am Ende. Ärzte rieten Angelika K. dringend zu einer stationären Kur, doch die BfA in Berlin lehnte den Antrag ab. »Die schrieben mir, dass es ausreiche, wenn ich mich ambulant behandeln lasse. Das hat mich ziemlich wütend gemacht«, erinnert sich die Witwe. Die Betriebskrankenkasse Bertelsmann sowie Opferanwältin Gabriele Martens aus Rheda-Wiedenbrück intervenierten massiv bei der BfA - und hatten Erfolg. Am 2. November wird Angelika K. für sechs Wochen in Bad Salzuflen in einer Trauma-Klinik aufgenommen, und ihre Schwester Karin kann dort zur gleichen Zeit behandelt werden.
Am 2. November beginnt auch der Prozess gegen Malkhaz B., doch Nebenklägerin Angelika K. lässt sich von ihrer Anwältin Gabriele Martens vertreten: »Ich könnte die Verhandlung überhaupt nicht verkraften. Ich weiß schon heute: Egal, wie das Urteil auch ausfällt, ich werde nicht zufrieden sein.« Sie könne ihr Schicksal leichter akzeptieren, wenn ihr Mann bei einem Unfall oder durch eine Krankheit gestorben wäre, sagt die Gütersloherin. »Zu wissen, dass Werner für einen Gebrauchtwagen erschossen worden ist - damit werde ich wahrscheinlich nie fertigwerden.«

Artikel vom 21.10.2006