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Poème -ĂŠLieder
von Lust und
Leidenschaft

Gustav Rivinius im Freitagskonzert

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Solch euphorische Beifallsbekundungen sind im als zurückhaltend geltenden Ostwestfälischen bei einem klassischen Konzertpublikum selten. Der lang anhaltende Jubel galt Gustav Rivinius und den Bielefelder Philharmonikern für ihre in ihrer Gefühlsintensität und Klarheit einnehmende Interpretation des Cellokonzertes von Antonin Dvorák.

Wie feingliedrig nuanciert und beseelt der Ton des international gerühmten Cellisten Rivinius tatsächlich ist, zeigte sich jetzt in der hervorragenden Oetkerhallen-Akustik. Keine zwei Jahre liegt es zurück, da reüssierte der 41-Jährige mit Kurt Atterbergs »Konzert für Violoncello und Orchester« mit dem städtischen Orchester im Ringlokschuppen. So inspirierend die Ausweichspielstäte damals auch erscheinen mochte, so beeinträchtigend wirkten die akustisch schlechten Bedingungen.
Unter optimalen Voraussetzungen und bei offensichtlich stimmender Chemie zwischen Solist, Orchester und GMD Peter Kuhn entfalteten sich der prachtvolle Melodienreigen und der sehnsuchtsvolle Duktus des Werkes ausgesprochen wirkungsreich. Zumal Kuhn die innerlich bewegte Grundstimmung des Allegro-Hauptthemas in drängende Tempi und eine nicht nachlassende Spannungsdynamik kleidete sowie den klangfarblichen Reichtum in feinen Schattierungen schillern ließ.
Spieltechnische Prägnanz und Transparenz im Orchester sowie durchweg brillante Bläsersolisten bildeten zudem den Boden, auf dem Gustav Rivinius sein elegisches Espressivo wunderbar ausbreiten konnte. Der Balanceakt von Virtuosität und inhaltlichem Anspruch gelang Rivinius mit scheinbarer Leichtigkeit. Gleichwohl enthielt sein edler, vibratoreicher Ton die nötige emotionale Tiefe, die sowohl in den stürmischen Partien als auch im leidenschaftlichen Adagio-Gesang über das Lied »Lass mich allein« betörte.
Mit einer gefühlvollen und in ihrer Stimmung gekonnt changierenden Orchesterfassung dieses Dvorák-Liedes hatten die Philharmoniker zuvor den Konzertabend eröffnet, der unter dem Titel »Poème« in besonderer Weise dem Lied huldigte.
Aus Albert Roussels früher Schaffenssphase stammt die programmatische 1. Sinfonie »Le Poème de la forêt«. Vier ursprünglich selbständige sinfonische Dichtungen zum Natursujet »Wald« wurden dazu nachträglich zyklisch verknüpft. Das Werk führt ein in exotisch-irisierende und lautmalerische Klangwelten wie das Säuseln des Windes. Arm an dramatischen Höhepunkten, entwickeln sich die Sätze aus einem sich langsam verdichtenden Klanggewebe bei gleichzeitig rhythmisch pulsierenden Streicherstimmen. Bei Kuhn, der mit Blick auf nuancierte Steigerungsbögen und rhythmische Impulskraft lenkte, sowie den spieltechnisch brillant aufgelegten Bielefelder Philharmonikern war all dies in besten Händen.

Artikel vom 16.10.2006