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Die Auftragsbücher sind voll

»Hol-tex« hat die wirtschaftliche Schieflage von 2002 überwunden

Von Matthias Kleemann
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). »Macht ihr das doch«, ein Satz der schnell dahin gesagt ist, auch wenn er Vertrauen dokumentiert. Vertrauen, das Kunden und Lieferanten der Schloß Holte Textildruck GmbH & Co. KG in zwei leitende Mitarbeiter des Unternehmens hatten, als der Betrieb 2002 in die Schieflage geriet und ein Insolvenzverfahren nicht mehr abzuwenden war.

Es dauerte fast ein Dreivierteljahr, bis Udo Hagemeyer und Rosemarie Tonkel sich ein Herz fassten und das Wagnis eingingen. Unter dem Namen »Hol-tex« gründeten sie den Betrieb neu - und schrieben von Anfang an schwarze Zahlen. »Wir hatten ein Konzept, das wir schon früher hätten umsetzen können - wenn man uns gelassen hätte«, sagt Rosemarie Tonkel rückblickend.
Die Geschäftsfrau war im Jahr 1996 von einem amerikanischen Unternehmen im Frankfurter Raum zur Schloß Holte Textildruck gewechselt. Udo Hagemeyer, der aus Versmold stammt, hatte 1990 angefangen und war zunächst Leiter der Qualitätssicherung. Beide verfügen über eine fundierte kaufmännische Ausbildung und waren scheinbar die einzigen, die erkannten, dass die Produktion vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Veränderung nicht so weiterlaufen konnte. »Im Haus war aber niemand zu überzeugen, dass man was ändern muss«, erinnert sich Rosemarie Tonkel.
Heute ist vieles anders. Das Verhältnis von Eigen- und Auftragsproduktion hat sich ins Gegenteil verkehrt (siehe Daten & Fakten). Die Zahl der Mitarbeiter hat sich um mehr als die Hälfte verringert. Aber die Auftragsbücher sind voll und die Kunden sind zufrieden.
Dass das heutige Geschäftsführer-Gespann es schaffen würde, zeichnete sich bereits während des Insolvenzverfahrens ab. »Wir haben den Laden für einen möglichen Investor am Laufen gehalten und dabei Gewinne eingefahren.« Insolvenzverwalter Joachim Scholz aus Verl, den die beiden im Nachhinein sehr loben, sei sehr zufrieden gewesen. Es gab auch potenzielle Investoren, letztlich jedoch keinen, der ernsthaft genug interessiert gewesen wäre. Und so reifte die Erkenntnis: »Wir kommen da nicht raus, wenn wir es nicht selbst machen.«
Noch einmal: Leichter gesagt als getan. »Die Banken haben uns nicht einen Cent Kredit gewährt«, erzählt Udo Hagemeyer. Rosemarie Tonkel und er traten daraufhin an Kunden heran, »die Märkte verloren hätten«. Einschließlich selbst beigesteuerten Kapitals sei es so gelungen, eine Finanzierung auf die Beine zu stellen. »Im kommenden Jahr werden wir voraussichtlich schuldenfrei sein.«
Während die Immobilie vom Insolvenzverwalter an einen Investor verkauft werden konnte, galt es vor allem, in den Maschinenpark zu investieren. Diese Maschinen, und das äußerst qualifizierte Fachpersonal seien das Pfund, mit dem »Hol-tex« heute wuchern könne. Der Betrieb ist einer der ganz wenigen in Europa, der technische Textilien und so genannte Funktionstextilien in hoher Qualität mit einer nahezu einmaligen Maschinen-Kombination bedrucken kann.
Dazu zählt beispielsweise der Stoff für militärische Tarnkleidung. »Wir haben einen mehrjährigen Entwicklungsauftrag der Bundeswehr«, sagt Hagemeyer stolz. Daneben beliefert »Hol-tex« weitere europäische Armeen, die britische, die dänische und die französische etwa. Jede Armee möchte ihren eigenen Tarndruck haben. Innovation ist auch hier der Schlüssel. Tarntextlien kann man in Fernost zwar billiger drucken lassen. Die dortigen Firmen seien jedoch nicht bereit, in die Weiterentwicklung zu investieren. Doch die ist auf diesem Gebiet zwingend. Neue Dessins tragen den veränderten Bedingungen Rechnung, unter denen heutzutage militärische Einsätze stattfinden. Die Ethik wird dabei nicht über Bord geworfen. »Wir haben auch schon Aufträge abgelehnt«, so Hagemeyer.
Gleich nach der Neugründung 2003 gab es eine andere Herausforderung. »Im Sommer 2003 sind in Deutschland viele Biergartenschirme mit Werbeaufdrucken verwittert«, erzählt Hagemeyer. Die Lichtechtheit der Farben allein sei heute nicht mehr der einzige Faktor, der zur Haltbarkeit beiträgt. Eine Beschichtung soll vor Umwelt- und Wettereinflüssen schützen. Nur, dass diese Beschichtung von anderen Textildruckereien unten auf die Schirme aufgebracht worden war (wo sie eigentlich keinen Sinn ergibt), weil sie an der Oberseite an den Faltstellen zu so genanntem Weißbruch (milchige Knickmuster) führte. »Hol-tex« entwickelte daraufhin eine Beschichtung, die man oben aufbringen kann, ohne dass Weißbruch auftritt und durfte damit rund 100 000 Laufmeter bedrucken, davon einen großen Teil für die »Bitburger«-Brauerei.
Neben diesem großen Anteil an Auftragsproduktion kümmert Rosemarie Tonkel sich um die Entwicklung einer »kleinen, aber feinen« Kollektion mit Dekostoffen und Gardinen. Die sind für eine Kundschaft, die bewusst auf Qualität setzt und dafür auch den Preis zu zahlen bereit ist. Wurde früher über die Kaufhausketten zum größten Teil No-Name-Ware an den Mann gebracht, so steht heute »Design by Hol-tex - Made in Germany« auf dem Kantendruck.
Realistisch sieht das Geschäftsführer-Duo die Wachstumschancen. »Wenn ich ein neues Jahr plane, gehe ich, so lange ich keine andere Information habe, auf Vorjahresumsatz«, sagt Rosemarie Tonkel. Wachstum um jeden Preis sei gefährlich, es gelte, mancher Versuchung zu widerstehen. »Wir wollen nicht größer, aber besser und innovativer werden«, ergänzt Udo Hagemeyer.

Artikel vom 21.10.2006