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Statt Glück entsteht Gewalt

Kammerspiele verstören mit »Der Bus« von Bärfuss


Von Andrea Pistorius
Paderborn (WB). Erika will nach Tschenstochau, eine Verheißung soll sich am Bild der Schwarzen Madonna durch sie erfüllen. Doch dann landet sie im falschen Bus und wird durch ihre Fremdartigkeit zur Zielscheibe aggressiver Attacken ihrer Mitreisenden. Der Schweizer Jungautor Lukas Bärfuss hat mit »Der Bus« eine verstörende Geschichte über die Suche nach Glück und Sinn im Leben, über Irrtümer und Neuorientierung geschrieben, die Tanja Coppola an den Westfälischen Kammerspielen in Paderborn eindringlich in Szene setzte.
Erika (Birgit von Rönn) verfolgt ihr Ziel hartnäckig und provoziert damit den Busfahrer Hermann (Frerk Brockmeyer), der gern selbst den Ton angibt und Gott als Auftraggeber nicht akzeptiert. Beide Schauspieler zeigen eine eindrucksvolle Leistung in ihrer Darstellung zweier brüchiger Charaktere, die sich immer wieder wandeln und schwer zu durchschauen sind. Erika vertraute erst Drogen, dann der Religion als Heilsbringer und bleibt zum Schluss wieder mit ihrer Sehnsucht allein. Hermann glaubt nur an sich und stirbt, als der Bus in eine Schlucht stürzt. Ihre zufällige Begegnung ist von seelischer und körperlicher Gewalt geprägt, die dem Zuschauer einiges abverlangt.
So unglücklich wie Erika und Hermann sind auch die übrigen Buspassagiere, feige und bigott verfolgen sie ausschließlich eigene Interessen. Und selbst der Tankwart scheitert, weil er für sein Öko-Engagement die falschen Strategien wählt. Friedericke Brüheim, Willi Hagemeier, Christiane Paulick, Daniel Sonnleithner und Kerstin Westphal stehen den beiden Hauptpersonen in der Intensität ihres Spiels in nichts nach. Auch sie hinterlassen ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit und fordern das Publikum auf, sich mit den eigenen Zielen, mit gescheiterten Lebensentwürfen und Neuanfängen zu befassen.

Artikel vom 14.10.2006