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Schuldfrage
bleibt ungeklärt

Busunglück von Lyon: Prozess vor Ende

Hannover (dpa). Im Prozess um das Busunglück von Lyon mit 28 getöteten deutschen Urlaubern hat sich gestern ein rasches Ende mit einem Freispruch für den Angeklagten abgezeichnet.

Derzeit sei nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen, dass dem Angeklagten der Vorwurf der fahrlässigen Tötung gemacht werden könne, bilanzierte die 12. Große Strafkammer am Landgericht Hannover ein Rechtsgespräch mit Vertretern von Anklage und Verteidigung.
Die Staatsanwaltschaft hatte den 43-Jährigen für die Katastrophe verantwortlich machen wollen, weil dieser als »faktischer Geschäftsführer« von Tiger-Bus-Reisen in Wunstorf bei Hannover für die Unglücksfahrt einen übermüdeten Fahrer eingesetzt haben soll.
Bei dem 53 Jahre alten Chauffeur handelte es sich jedoch um den »offiziellen Chef« des Unternehmens selbst. Er soll im Mai 2003 auf dem Weg ins spanische Lloret de Mar am Steuer eingeschlafen sein und die Kontrolle über den Bus verloren haben. Wenige Kilometer vor Lyon durchbrach der voll besetzte Doppeldeckerbus ein Brückengeländer und überschlug sich mehrmals. 28 Menschen starben, darunter auch der Fahrer. 46 weitere Insassen trugen Verletzungen davon.
Nach Vorgabe des Oberlandesgerichts Celle hatte die Kammer zunächst nur über mögliche Geschäftsführertätigkeiten des Angeklagten zu verhandeln. Der 43-Jährige habe zwar eine besondere Rolle in der Firma gespielt, hieß es nun. Vieles spreche aber dafür, dass der Unglücksfahrer der wirkliche Chef des Unternehmens war. Damit könnte der Prozess am nächsten Verhandlungstermin, der auf den 31. Oktober festgesetzt ist, zu Ende gehen, ohne das eigentliche Unfallgeschehen erörtert zu haben.
Während die Staatsanwaltschaft prüft, ob sie weitere Beweisanträge in den Prozess einführen will, war die Verteidigung des 43-Jährigen erleichtert. »Es bleibt aber ein bitterer Beigeschmack, da die Überlebenden und Hinterbliebenen nicht wissen, wie der Unfall wirklich geschehen ist«, sagte Rechtsanwältin Lilian Teuschler.
Sie geht davon aus, dass ein anderes Fahrzeug den Bus auf der Autobahn bei Lyon abgedrängt und damit das verheerende Unglück ausgelöst hat. »Im Prozessverlauf hätte ich ein entsprechendes Gutachten eines französischen Sachverständigen eingeführt, dies ist in diesem Verfahren aber nun wohl nicht mehr möglich.«

Artikel vom 13.10.2006