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Sylt in der Truhe oder
das Klima von Lima

Bielefelder Firma Liebisch baut Korrosionsprüftechnik

Von Michael Diekmann
Bielefeld (WB). In manch fernem Land kann man den Namen »Liebisch« vielleicht nicht auf Anhieb aussprechen. Was er bedeutet, weiß man aber in Tschechien ebenso wie in China, Südafrika oder England. »Korrosionsprüfgeräte von Liebisch rangieren mancherorts höher als Normen oder Zertifikate«, sagt die Frau, die so heißt wie ihre Firma: Kornelia Liebisch.

Sie ist Chefin und Herz des Bielefelder Mittelständlers, der auf seinem Gebiet Weltmarktführer ist.
Salziges Sylt-Klima bei Nordweststurm, dicke Luft im Tauerntunnel mit hohem Schwefeldioxidanteil, feuchte Luft, jede Art von Außenluft und Wetterbedingung, die Truhen aus Bielefeld können jede noch so feine Nuance im globalen Klimamix simulieren, von Dürre bis Monsunregen eben. Gebraucht wird das allerdings weniger bei Wetterfröschen als bei Forschern und Industrieentwicklern rund um den Globus. »Der Name Liebisch steht heute weltweit für Qualität und Zuverlässigkeit bei Korrosionsprüfgeräten und Geräten für thermische Analyseverfahren«, erklärt die Chefin. Namhafte Institute, wie Fresenius oder »Dr. Robert Koch«, setzen sie ebenso ein wie Wella, Schering oder Benteler und Böllhoff in Bielefeld.
Gewissermaßen im Zeitraffer lassen sich Umwelteinflüsse auf Werkstoffe und Produkte simulieren. Damit hilft Liebisch bei der Optimierung von Produkten in allen erdenklichen Branchen. Die Einsatzmöglichkeiten sind quasi so unerschöpflich wie das Repertoire der globalen Industrie. Bleche von Thyssen müssen ebenso in die Truhe wie Rolex-Uhren aus der Schweiz, Stahlseile für Hängebrücken oder Felgen für Nobelfahrzeuge. In der Automobilindustrie setzt man bei Audi, Bentley oder BMW und Porsche ebenso auf Liebisch wie bei Jaguar. Volkswagen war einst der erste Industriekunde. Vor mehr als 40 Jahren hatten Vater und Onkel, Hans-Dieter und Siegfried Liebisch, das Unternehmen im Bielefelder Süden gegründet. Es ist bis heute am Ort.
Der einstige Laborfachhandel (den Vater Hans-Dieter bis heute betreibt) bildete 1963 den Grundstein, von 1973 an zog man in die eigene Fertigung an der Eisenstraße. Kornelia Liebisch erlebte all diese Schritte mit. Sie wuchs in der Firma auf, kannte das Büro, fuhr mit zum Kundenbesuch, entwickelte früh Interesse an beruflicher Selbstständigkeit. Als sie 1995 der Ruf der Eltern erreichte, doch die Nachfolge im Betrieb zu übernehmen, war sie bereits in München mit einem eigenen Unternehmen aktiv.
»Die Faszination der Korrosionskonzepte und des elterlichen Betriebes ist bis heute groß«, berichtet Kornelia Liebisch. Die Entscheidung, von München zurück in die elterliche Firma zu kommen, hatte andere Gründe. Damals, Mitte der 1990-er Jahre, war das Lebenswerk des Vaters gerade ein Raub der Flammen geworden, die Firma inklusive fertiggestellter und zur Auslieferung bereitstehender Korrosionsgeräte abgebrannt. Der Neuaufbau nach dem Inferno, weiß die Chefin heute, sorgte dafür, dass Produktionsabläufe, Lagerhaltung und Betriebsteile heute optimal verzahnt für beste Ergebnisse sorgen können. Knapp 40 Mitarbeiter sind in der blitzsauberen Firma am grünen Stadtrand tätig. Ein eingeschworenes Team. Deren Kopf Kornelia Liebisch in Produktion und Büro gleichermaßen zuhause ist, die bei Kunden und auf Messen rund um den Erdball mit Experten verhandelt und immer neue Aufträge an den Teutoburger Wald holt.
Mehr als 50 Prozent des Umsatzes kommen aus dem Ausland. Arabische Scheichs haben sich schon vor Ort umgeschaut (wegen rostender Rolex), Chinesen schwören auf Liebisch-Geräte. Industriegiganten wie BASF, Kyocera, die Europäische Raumfahrtagentur, Miele oder Fielmann stehen auf der Referenzliste.
Wenn Kornelia Liebisch in der Produktion unterwegs ist, spürt man das enge Miteinander des Teams an der Eisenstraße. Man brauche technisches Verständnis, Energie und Ergebnisorientierung, sagt sie selbst. Ihre Belegschaft spürt das und zieht mit. Tag für Tag, Projekt für Projekt. Selbst Sohn Julius (13) spürt die besondere Stimmung in diesem Betrieb, zeigt längst Interesse, hilft und schaut in Forschung und Fertigung zu.
Weil »Made bei Liebisch« auf dem Weltmarkt noch wichtiger ist als ein »Made in Germany«, hat Kornelia Liebisch seit dem Sommer noch mehr Kompetenz zurückgeholt ins eigene Unternehmen. Die Gehäuse der High-Tech-Geräte hatte man bislang außer Haus aus GFK-Glasfaser fertigen und finishen lassen. Inzwischen sind die ersten drei Facharbeiter an einem angemieteten zweiten Standort von Liebisch tätig, arbeiten »just-in-time« für die Technologieschmiede, mit identischem Qualitätsanspruch und Perfektion und wollen künftig auch Fremdaufträge übernehmen. Kor-nelia Liebisch: »Selbst bei GFK ist der Name einfach Verpflichtung. Darauf setzen Kunden wie die Paderborner Benteler-Gruppe selbst in Südamerika.«

Artikel vom 21.10.2006