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Lippischer Konjunkturmotor läuft rund

Detmolds IHK-Präsident Dr. Hannes Frank zur aktuellen Situation in einer starken Region

Dr. Hannes Frank
Ostwestfalen und Lippe haben die Strukturkrise der vergangenen Jahre aus eigener Kraft gut gemeistert. Obwohl in der Holz- und Möbelindustrie jeder zweite Arbeitsplatz abgebaut wurde, ist Ostwestfalen-Lippe eine starke Wirtschaftsregion geblieben. Dies beweist die Stärke der Region und ihrer mittelständischen Wirtschaft.

Aber dennoch bleibt für die Politik noch viel zu tun. Anstehende Reformen werden von den Unternehmen eingefordert, und vor der anstehenden Mehrwertsteuererhöhung warnt die Wirtschaft.
Die Konjunktursonne für 2006 scheint hell in Lippe. Der sehr gute Auftragsbestand und die anhaltend hohen Auftragseingänge sorgen in nahezu allen Branchen für eine gute, zum Teil sogar volle Kapazitätsauslastung. Das ist das Ergebnis der Konjunkturumfrage der IHK Lippe, an der sich 280 lippische Unternehmen mit 17 500 Beschäftigten beteiligten.
Die Umsätze sind über die Erwartungen hinaus gestiegen. Auch die Ertragslage hat sich in Teilbereichen verbessert. Dennoch ist die Kostenbelastung unverändert hoch. Insbesondere die gestiegenen Rohstoff- und Energiepreise drücken die Freude über die gute Mengenkonjunktur.
Neben dem Exportwachstum zieht auch die Binnennachfrage langsam an. Die Konsumenten werden mit Blick auf die Mehr-wertsteuererhöhung und ange-sichts der verbesserten Stimmung in Teilbereichen ausgabefreudiger. Dies wirkt sich positiv auf die Investitionspläne aus, allerdings ist die Investitionsneigung im Vergleich zum Vorjahr geringer ausgeprägt. Kapazitätserweiterungen gewinnen neben den Investitionsmotiven Ersatzbeschaffung und Rationalisierung zunehmend an Bedeutung.
Die gegenwärtige konjunkturelle Lage in Lippe wird von den Unternehmen so gut beurteilt wie zuletzt vor zwölf Jahren. Die Erwartungen im Hinblick auf die geschäftliche Entwicklung für dieses Jahr wurden weit übertroffen, fast jedes zweite Unternehmen informiert über eine Verbesserung der Geschäftslage. Der Anteil derjenigen, die ihre gegenwärtige Situation mit »gut« beurteilen, hat mit fast vier Fünftel einen Höchststand wie zuletzt 1994 erreicht. Der Anteil der Skeptiker ist auf ein Achtel zurückgegangen.
Gestiegene Umsätze und gut ausgelastete Kapazitäten hatten positive Auswirkungen auf die Beschäftigung. Erstmals seit sechs Jahren war der Anteil der Unternehmen, die mehr Personal eingestellt haben, mit drei von zehn Unternehmen größer als der Anteil derjenigen (20 Prozent), die ihren Mitarbeiterstab reduziert haben. Geplant hatte nur ein Achtel zusätzliche Arbeitnehmer in 2006 einzustellen. Die Unternehmen haben überwiegend sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze geschaffen, aber in der Regel nur befristete Arbeitsverträge abgeschlossen. Hintergrund ist das starre Arbeitsrecht. Anstelle der eigenen Einstellung haben mehrere Unternehmen auf die Beschäftigung von Zeitarbeitnehmern zurückgegriffen, sofern diese die notwendige Qualifikation mitbrachten.
Die Aussichten für 2007 trüben sich demgegenüber etwas ein. Hatten bei der letzten IHK-Umfrage noch drei von zehn Unternehmen für 2007 ein weiteres Anziehen der Konjunktur prognostiziert, so ist dieser Anteil nun auf zwei von zehn Unternehmen geschrumpft. Die Pessimisten sind auf ein Sechstel angestiegen. Im Hinblick auf Neueinstellungen halten sich die Unternehmen im nächsten Jahr wieder etwas zurück.
Ein Dämpfer für die Konsumnachfrage wird durch die anstehende Mehrwertsteuererhöhung und die anhaltenden hohen Energiekosten erwartet, infolge dessen wird bei den Unternehmen ein Rückgang der Aufträge für das nächste Jahr befürchtet. Auch wirken sich die anhaltenden Reformdiskussionen negativ auf das Investitions- und Konsumklima aus.
Damit sich die wirtschaftliche Erholung fortsetzen kann, muss die Politik ihre Hausaufgaben erledigen und die begonnenen Reformen beherzt fortsetzen. Die Unternehmen warten bis heute vergeblich auf ein einfaches und verlässliches Steuerrecht, auf ein Eindämmen der Lohnnebenkosten und auf eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes.

Artikel vom 21.10.2006