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Der Beweis von Bratislava

Trainer Joachim Löw bestand den Härtetest: Deutschland auf dem EM-Weg

Bratislava (dpa). Das deutsche Fußball-Sommermärchen geht auch im Herbst weiter - und Joachim Löw führt glänzend Regie: Als der Bundestrainer auf dem Charter-Flug aus Bratislava ins neblige Frankfurt den eindrucksvollen 4:1-Sieg gegen die Slowakei noch einmal Revue passieren ließ, tat er dies mit großem Stolz und tiefer innerer Befriedigung.

»Wir haben einen wichtigen Schritt gemacht«, sagte der 46-Jährige nach dem Ausbau seiner Erfolgsserie auf fünf Siege und 23:1 Tore sowie dem makellosen Neun-Punkte-Start in der EM-Qualifikation. Noch höher bewertete Löw aber die bestandene Nagelprobe in einer Partie in der Fremde: »Wichtig war für uns, dass wir nach der WM den Beweis angetreten haben, auch auswärts eine Klasseleistung abzurufen.«
Nur ein halbes Jahr ist es her, dass die junge deutsche Elf im letzten Auswärtsspiel gegen einen ernsthaften Gegner in Italien mit 1:4 unterging. Am 1. März lagen Ballack und Kollegen in Florenz nach 39 Minuten hoffnungslos mit 0:3 zurück, dieses Mal führte Deutschland nach Toren von Lukas Podolski (13.), Michael Ballack (25.) und Bastian Schweinsteiger (36.) zum selben Zeitpunkt mit 3:0. Das 1:3 von Stanislav Varga (58.) und Podolskis (72.) siebter Treffer in der EM-Qualifikation waren nach der Pause lediglich Kosmetik.
»Das war ein Klassenunterschied. Die Mannschaft hat sehr reif gewirkt und die Chancen eiskalt genutzt«, urteilte Ballack über die beeindruckende Souveränität, mit der das von ihm gelenkte Team vor den 21 000 staunenden Zuschauern auftrumpfte. »Die Niederlage war nicht beschämend für uns, die Deutschen waren einfach besser. Sie haben glänzende Spieler und ein Team mit großer Perspektive«, kommentierte der slowakische Trainer Dusan Galis tief beeindruckt.
Der Sieg war ein Meilenstein auf dem Weg zur EM-Endrunde 2008 in Österreich und der Schweiz, auch wenn gerade die etablierten Spieler das Wort von der Vorentscheidung vermieden. »Man muss immer auf dem Teppich bleiben. Es warten noch schwierige Aufgaben in Irland, in Wales und Tschechien«, sagte Torhüter Jens Lehmann, der beim Gegentor »blöd« aussah, wie er selbst zugab. Im letzten Länderspiel des Jahres am 15. November in Zypern kann die DFB-Elf die spielfreien Tschechen (10 Punkte) vom ersten Platz der Gruppe D verdrängen.
Eine allerletzte Reifeprüfung als Nachfolger von Jürgen Klinsmann legte auch Löw ab. Eindrucksvoll gingen in Bratislava seine Planungen auf. Er hatte die Stammkräfte Lahm, Frings, Schneider und Klose beim 2:0 gegen Georgien geschont, ausgeruht kehrten sie zurück und sorgten für Stabilität und Spielfreude. »Wir haben unsere Angriffe sehr schnell, sehr zielstrebig vorgetragen und auch die Tore klasse herausgespielt. Das Spielerische war imponierend«, kommentierte Löw.
Zwischen Thomas Hitzlsperger und Neuling Clemens Fritz hatte er beim Testlauf gegen Georgien einen Ausscheidungskampf um die offene Außenverteidiger-Position angesetzt - und den Bremer zum Sieger erklärt. Philipp Lahm wechselte zurück auf die linke Seite, und Fritz empfahl sich mit einer »Klasseleistung« (Löw) als eine neue Option rechts in der Viererkette. »Ich lass' mich überraschen, was jetzt kommt«, sagte der 25-Jährige. Und der Bundestrainer durfte hoch erfreut registrieren: Seine Auswahlmöglichkeiten sind nach der Partie von Bratislava noch größer geworden.

Artikel vom 13.10.2006