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Nicht ganz
zufrieden

Marcel Reich-Ranicki


ZDF, 22.35 Uhr: Marcel Reich-Ranicki ist einer der populärsten Deutschen, der sich einmal als Mischung aus Schulmeister und Entertainer bezeichnet hat. »Ich, Reich-Ranicki« haben Lutz Hachmeister und Gert Scobel ihren Dokumentarfilm genannt.
Im ersten Teil der 105 Minuten langen Dokumentation über sein Leben kommt Marcel Reich-Ranicki in Interviewpassagen viel zum Zuge. Trotzdem ist der 86-Jährige nicht recht einverstanden mit dem Film. »In meinem Alter will man die Frage stellen: Was wird übrig bleiben? Was habe ich geleistet?«, sagte Reich-Ranicki nach der Vorabaufführung des Films.
Der Starkritiker vermisst in der chronologisch erzählten Montage aus Interviews, Fotos, Archiv- und Spielfilmausschnitten auch eine Antwort auf die Frage: »Was war es denn, was mich an dieser deutschen Literatur so fasziniert hat?« Keine Erklärung gebe es auf die entscheidende Frage, wie ein Junge, der mit neun Jahren aus einer polnischen Kleinstadt nach Berlin kommt, kaum Deutsch kann, nie Germanistik oder überhaupt irgendetwas studiert hat - als Jude wurde er 1938 abgelehnt - später zu dem Mann wird, den viele für den wichtigsten Kritiker deutscher Literatur halten.
Der Film wolle dem Publikum Reich-Ranickis Biografie näher bringen, erläutert Hachmeister. Er habe aber auch eine »didaktisch- pädagogische Funktion«, denn viele, die angäben, »Mein Leben« gelesen zu haben, kennten die wichtigsten Eckpunkte aus Reich-Ranickis Biografie nicht. Die Dokumentation mit teils raren Fundstücken aus Archiven und Interview-Beiträgen sei als Charakterstudie angelegt.

Artikel vom 13.10.2006