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Literatur-Nobelpreis für Orhan Pamuk

Eine weise Entscheidung


Kein Wehgeklage und Gezicke wie bei Elfriede Jelinek, auch kein ratloses oder verwirrtes Kopfschütteln wie bei Harold Pinter, den beiden vorherigen Preisträgern des stets heiß begehrten Nobelpreises für Literatur. Einigkeit, wohin man blickt ob der Entscheidung des greisen und diesmal wohl weisen Kommittees in Stockholm, den türkischen Schriftsteller Orhan Pamuk mit dieser Auszeichnung zu ehren.
Zu glauben, dass es sich bei dieser Entscheidung nicht um eine politische handelt, ist schlichtweg irrig. Sie ist absolut so gewollt und mit einem kräftigen Schuss Moral versehen. So ist denn die Beurteilung des deutschen Außenministers Steinmeier zutreffend, wenn er sagt, dass Pamuk ein »Brückenbauer zwischen der Türkei und Europa« sei.
Der Mann, der sich auf intelligente, starke und liberale Weise mit der Gesellschaft auseinandersetzt, sieht sich zwar geehrt, fürchtet aber, dass die politische Dimension zu einer Belastung werden könnte. Orhan Pamuk hat Erfahrung, ist ein gebranntes Kind. Noch ist das Gerichtsverfahren gegen ihn wegen »Verunglimpfung des Türkentums« sehr deutlich in Erinnerung.
Die Verleihung darf nicht als Zusammenprall der Kulturen verstanden werden. »Kultur braucht die Vermischung und Verbindung vieler Einflüsse«, sagt Pamuk. Seine Arbeit ist ein Beweis dafür und sollte exakt so verstanden werden. Die Chance ist da, und alle sollten sie auch ergreifen.Rolf-Dieter Bock

Artikel vom 13.10.2006