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Ramón Calderón,
Präsident Real Madrid

»Man weiß nicht,
wie lange diese
Leute im Fußball
bleiben werden.«

Leitartikel
Fußball-Geldmacht Russland

»Chelski«,
»Schalski«
und Co.


Von Andreas Schnadwinkel
Uli Hoeneß nennt es »Russlandisierung«. Was der Manager des FC Bayern München damit meint, ist der stetig wachsende finanzielle Einfluss russischer Milliardäre und Energiekonzerne auf den westeuropäischen Profifußball.
Die veränderten Besitzverhältnisse stellen den Verband UEFA bei der »Champions League« vor Probleme: Dürften Schalke und St. Petersburg, sollten sich beide in der kommenden Saison für die Top-Klasse des Vereinsfußballs qualifizieren, in eine Gruppe gelost werden? Bei beiden Klubs ist Gazprom Hauptsponsor, am russischen Erstligisten hält das Energieimperium 75 Prozent der Anteile.
Würde dann in Moskau entschieden, welches Team die nächste Runde erreicht, wenn es hart auf hart käme? Dieses Szenarium mag für Fairplay-Träumer hypothetisch klingen, liegt für Fußballkenner jedoch auf der Hand - und bahnt sich an, je mehr Spitzenvereine russische Eigner bekommen.
Auf dem globalen Rohstoffmarkt und im internationalen Fußball ist Russland eine Weltmacht, und damit ist nicht das Nationalteam gemeint. Der FC Chelsea, gemeinhin auch »Chelski« genannt, wird in der breiten Öffentlichkeit als einziger Klub von Oligarchens Gnaden wahrgenommen. Doch längst ist Roman Abramowitsch - über Strohmänner gehört ihm auch ZSKA Moskau - nicht der einzige Investor mit russischem Hintergrund. Beim FC Portsmouth regiert Arkadi Gaydamak, und bei West Ham United hat das Konsortium MSI das Sagen - auch dahinter werden reiche Russen vermutet.
England lockt Energiemilliardäre an, weil die Rechtsform der Vereine als relativ offen gilt. Wer genug Pfund auf den Tisch legt, ist in der »Premier League« schnell dabei. Außerdem verfolgen die Eigentümer - im Gegensatz zur deutschen Bundesliga - nicht nur das Ziel, möglichst großen sportlichen Erfolg bei Vermeidung der Insolvenz zu haben.
Sie wissen ihre Millionen in einer stabilen westeuropäischen Demokratie sicherer angelegt als in der Heimat und können Rendite erzielen. Im englischen Profifußball ist das wegen der höheren Eintrittspreise und der vergleichsweise horrenden Fernsehgelder möglich, denn das Pay-TV funktioniert auf der Insel ordentlich, weil dort keine »Sportschau« alle Tore eine Stunde nach Abpfiff zeigt. Fußball wird als Ware, nicht als Grundrecht betrachtet.
Zweimal in Folge ist der FC Chelsea durch Abramowitschs Finanzspritzen (geschätzte 700 Millionen Euro bislang) mit einigem Punktevorsprung englischer Meister geworden. Da die Liga ob dieser Überlegenheit langweilig zu werden droht, ist das Interesse am Fußball zuletzt gesunken.
Die Frage ist, wie lange die englischen Fans die Russen-Klubs akzeptieren und das Spiel mitmachen. Geht das Interesse in den Stadien und vor den Bildschirmen zurück, gibt es weniger TV-Gelder - und weniger Rendite für die Investoren. Dann würde der Rubel im Fußball nicht mehr so rollen wie zur Zeit.

Artikel vom 13.10.2006