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Alerte Jungs »ändern die Welt ein bisschen«

Für einen guten Zweck putzen Laborschüler Schuhe und lernen dabei viel fürs eigene Leben

Von Matthias Meyer zur Heyde
Bielefeld (WB). »Nie zuvor haben meine Schuhe so geglänzt!« Sonja Kubina-Labs hat aber nicht selbst zu Creme und Bürste gegriffen, sondern sich von 13-jährigen Schülern die Stiefel putzen lassen. Prädikat: sozialverträglich und pädagogisch wertvoll.

Denn die Fünft- bis Siebtklässler der Laborschule lernen durch das Projekt viel fürs eigene Leben, und sie geben den kompletten Lohn an Menschen in Not weiter: an brasilianische Indianer, deren Lebensraum, der Regenwald, abgeholzt wird. Volker Schrempf, Pauker für Sport, Englisch und Ökologie, leitet die Jungen (nur wenige Mädchen machen mit) seit drei Jahren an und ist stolz darauf, dass auch ältere, mittlerweile ausgeschiedene, Projektteilnehmer immer wieder bei einzelnen Schuhputzaktionen mitmachen.
»Zuerst prüfe ich die Schuhe, denn jedes Material braucht sein eigenes Pflegemittel, dann bitte ich den Kunden, das Hosenbein aufzukrempeln und reinige den Schuh mit der Bürste«, zählt Shiyu Cai auf. »Dann stecke ich alte Spielkarten in die Schuhe, damit ich die Strümpfe nicht mit Creme verunreinige.« Nun wird eingecremt, die Creme darf einwirken, und jetzt wird gebürstet und gewienert, bis sich die Bürgerwache im Leder spiegelt.
Denn die Jungs, die eigentlich ihre Ferien genießen könnten, haben diesmal Kunden auf dem Siegfriedmarkt angesprochen. Menschen auf die Aktion aufmerksam zu machen, ist Vincent Rheinfurths Spezialität: »Wer stehenbleibt, den kriege ich auch«, sagt der 15-Jährige selbstbewusst. Die dümmsten Reaktionen kamen von den Intelligenzbolzen, von Studenten: »Nee, ich finanziere doch keine Kinderarbeit . . .«
Da ist dann jedes erklärende Wort sinnlos. »Die Schüler finden heraus, wie man Erwachsene formvollendet anspricht, werden zu Experten in Sachen Warenkunde und tun ein gutes Werk« - Pädagoge Schrempf ist voll des Lobes. Man hat sogar läuten gehört, dass die Jungs auch privat, zu Hause in ihren Familien, ihre Fertigkeiten gewinnbringend nutzen. So überzeugend jedenfalls wirkt die Idee, dass die Firma Erdal den Jungs schon seit Jahren alle Pflegemittel spendiert.
»Was in Asien gang und gäbe ist, darauf muss man sich hier erst mal einlassen«, sagt Beate Wortmann, die es gar nicht selbstverständlich findet, »dass andere meinen Dreck wegmachen.« Aber schließlich profitieren beide Seiten von der Sache. »Man kommt an Orte, die einem sonst verschlossen blieben«, erklärt Jolan Nattebrede (13) erfreut. Die VIP-Lounge der Alm zum Beispiel, wo die alerte Truppe nicht nur DSC-Präsident Hans-Hermann Schwick als Kunden gewann. »100 Euro in einer Stunde - das war Rekord«, erinnert sich Christian Ott (13). Und Sturmtank Artur Wichniarek signierte anschließend die Schuhputzbank.
Rundum zufriedene Gesichter. Denn wie formulierte es mal ein zehnjähriger Laborschüler: »Wir ändern die Welt ein bisschen.«

Artikel vom 13.10.2006