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Die Politik hat die Marktpreise gewollt

Wolfgang Brinkmann, Chef der Stadtwerke Bielefeld, über deutsche Strom- und Gasmärkte

Bielefeld (WB). Schwere Zeiten für die Energiekonzerne. Gas- und Strompreiserhöhungen sorgen für Ärger. Die Politik erwägt kartellrechtliche Maßnahmen. Wie verhält sich da ein vergleichsweise kleines Unternehmen? Mit Wolfgang Brinkmann (61), seit 1995 an der Spitze der Stadtwerke Bielefeld, sprach Bernhard Hertlein.

Die Stadtwerke Bielefeld haben 2006 ihren 150. Geburtstag gefeiert. Ist Ihnen inzwischen die Lust am Feiern vergangen?Brinkmann: Nein. Wir haben das Jubiläum sehr gerne und ausgiebig gefeiert - mit unserer Kundschaft. Ihr sind wir zu großem Dank verpflichtet.

Allgemein haben die Energieerzeuger in diesem Jahr nicht so viel Glück mit ihrer Kundschaft. Immer öfter hagelt es Kritik. Die Strompreise seien überdreht, heißt es mit Blick auf satte Gewinne in den Konzernen.Brinkmann: Ich kann den Unmut teilweise verstehen. Die Energiewirtschaft hat sich in der Vergangenheit nicht immer besonders geschickt verhalten. Das rächt sich jetzt. Ich kann nur raten, die Reaktionen der Kunden ernst zu nehmen. Die Branche muss verlorenes Vertrauen zurückgewinnen.

Wo stehen in der Debatte die Stadtwerke?Brinkmann: In Bielefeld gibt es keinen günstigeren Stromanbieter. Auch im bundesweiten Vergleich gehören wir zu den preiswertesten.

Erwarten Sie, dass der Ertrag aus dem Stromgeschäft in diesem Jahr geringer ausfallen wird?Brinkmann: In der Tat, so ist es. Im Strombereich verhandeln die Stadtwerke derzeit mit der Bundesnetzagentur über die künftige Höhe der Netzentgelte. Die sich abzeichnende Absenkung werden wir an die Kunden weiter geben.

   In voller Höhe?Brinkmann: Grundsätzlich ja. Nur müssen wir sie mit den höheren Beschaffungskosten verrechnen.

Was kommt dann noch konkret beim Kunden an?Brinkmann: Da wir einerseits in Verhandlungen und andererseits noch mitten in Berechnungen stecken, kann ich das nicht beantworten. Klar ist nur, dass die Senkung der Netzgebühren unseren Gewinn nach unten drücken wird. Der Strompreis setzt sich zu je 30 Prozent aus Beschaffungskosten und Netzentgelten zusammen. Die restlichen 40 Prozent betreffen Steuern und Abgaben.

Auch die Gaspreise stehen in der Kritik. Was machen die Stadtwerke Bielefeld mit Kunden, die ihre Rechnungen kürzen?Brinkmann: Sie erhalten, bis zu einem endgültigen bundesrichterlichen Entscheid, weiter Gas geliefert. Ein Zurückbehalt von Zahlungen erfolgt allerdings kaum.

Wieviel teurer wäre der Strom der Stadtwerke ohne die günstige Bezugsquelle beim Atomkraftwerk in Grohnde?Brinkmann: Das lässt sich so nicht genau sagen. Fest steht nur, dass seit der Liberalisierung 1998 die Strompreise nicht mehr auf Kostenbasis, sondern am Markt gebildet werden. Da haben jene große Vorteile, die den Strom wie wir teilweise selbst erzeugen -Êegal ob mit Kernkraft, Kohle oder Gas. Wo sonst will man Wettbewerbsvorteile realisieren, wenn die anderen Kostenblöcke -Êalso Netzentgelte und staatliche Abgaben -Êfest liegen?

Wann soll das AKW Grohnde vom Netz?Brinkmann: Im Jahr 2018.

Zu spät, um sich heute schon über einen Verlängerungsantrag Gedanken zu machen?Brinkmann: Ja. Bis dahin wird noch viel geschehen, auch politisch. Da wir nur mit 16,6 Prozent beteiligt sind, hat ohnehin unser Partner E.ON die Federführung.

Die Macht der vier Energieriesen bringt nach den Verbrauchern auch immer mehr Politiker auf die Palme. Sehen Sie die Chance, dass die Stadtwerke Bielefeld etwa im Verbund mit Stadtwerke Bremen, EWE in Oldenburg und der holländischen Essent das Quartett vergrößern können?Brinkmann: Gerade wir in Bielefeld haben bewiesen, dass man auch als vermeintlich Kleiner mit der richtigen Beschaffungsstruktur konkurrenzfähig sein kann. Inzwischen erzielen wir die Hälfte unseres Umsatzes mit Strom außerhalb von Bielefeld. Zugleich hat sich unser gesamter Stromabsatz seit Beginn der Liberalisierung 1998 verdoppelt. Die Bildung eines engeren Verbundes mit Bremen, Essent und EWE steht nicht auf der Tagesordnung.
Was die Politik betrifft, so muss sie sich entscheiden, ob der Strompreis nach den Kosten oder am freien Markt gebildet werden soll. In unserer Wirtschaft kann die Entscheidung nach meiner Meinung nur zu Gunsten des Marktes ausfallen. Eingriffe des Staates in die Wirtschaft haben bislang nirgendwo Positives bewirkt.

 Damit bleibt Alles beim Alten?Brinkmann: Fast. Der Politik bleibt die Aufgabe, sicherzustellen, dass wirklich Wettbewerb herrscht. Markt funktioniert nur, wenn Menschen zwischen echten Alternativen wählen können.

Artikel vom 14.10.2006